Paris um 1900. Der junge Josef sitzt mit seinem Freund Peter hoch oben auf einem Ausleger über Paris. Die beiden sind Gerüstbauer und gerade mit dem Bau des Eiffelturms beschäftigt. Die beiden machen Pause, Josef albert herum, und als er sich wieder umdreht ist sein Freund Peter verschwunden.
Der Film "Bye Bye Blackbird" ist das Spielfilm-Debüt von Robinson Savary, dem Sohn des berühmten Theater- und Zirkusregisseurs Jérome Savary, der bereits drei mehrfach prämierte Kurzfilme drehte. Robinson Savary ist in Frankreich auch als Portraitfotograf berühmt. Savary schrieb auch das Drehbuch zu "Bye Bye Blackbird".
Paris um 1900. Gerade wird der 300 Meter hohe Eiffelturm gebaut. Zwei der schwindelfreien Arbeiter sind die Freunde Josef (eher ein Stummfilmdarsteller: James Thierree, der Enkel von Charly Chaplin) und Peter (kurzer Auftritt: Thierry van Verweke). In der Pause machen es sich die beiden auf einem Ausleger bequem. Sie plaudern und lachen, und Josef albert auf dem freischwebenden Eisenteil herum. Als er sich umdreht ist Peter verschwunden: Er ist in den Tod gestürzt. Josef ist untröstlich. Er irrt im Schneegestöber durch die Stadt und ist verzweifelt. Da entdeckt er das Plakat einer wunderschönen jungen Frau. Es ist Alice (ebenfalls eher eine Stummfilm-Schönheit: Izabella Miko), die Trapezkünstlerin, die Attraktion des Zirkus Dempsey. Josef verliebt sich Hals über Kopf in die schöne Unbekannte. Er gibt seine Arbeit auf und lässt sich bei Lord Dempsey (eher ein Clown, der wie ein Stummfilm-Dracula aussieht: Derek Jacobi) als Hilfsarbeiter anstellen. Die anderen Arbeiter und Künstler der Zirkusfamilie kommen aus aller Herren Ländern und nehmen Josef nicht gerade freundlich auf. Aber Josef stört das nicht weiter, er hat nur Augen für die schöne und kapriziöse Alice.
Alice hat eine Adoptivschwester namens Nina (herbe Schönheit: Jodhi May), die zwar ebenso attraktiv, aber vom Charakter her ganz anders ist, und einen kleinen Sohn hat. Alice ist flatterhaft, Nina ist mehr bodenständig. Alice lügt, wie es ihr in den Sinn kommt, Nina hat es eher mit der Wahrheit. Alice verdreht gerne den Männern den Kopf und lässt sie dann lachend stehen, Nina würde lieber einen aber den für immer haben. Nina verliebt sich in den ruhigen Josef, weiß aber, dass sie wieder einmal gegen ihre charmante und leichtlebige Schwester Alice keine Chance hat. Trotzdem kümmert sie sich um Josef, näht ihm schon mal einen Knopf an, und versucht ihm schonend beizubringen, dass er bei Alice auf keinen grünen Zweig kommen wird. Doch Josef will nicht aufgeben. Heimlich übt er nachts eine Trapeznummer ein, die Höhe macht ihm ja nichts aus. Er hofft, seiner angebeteten Alice damit näherzukommen. Ihr Vater, Lord Dempsey, ein grober und schillernder Charakter, nimmt Josef zunächst überhaupt nicht ernst. Aber schließlich muss auch er feststellen, dass der eigenartige junge Mann offenbar ein Naturtalent in Sachen Trapez ist. Er erlaubt, dass Alice und Josef eine gemeinsame Nummer einstudieren. Lange proben die beiden, bis jeder Handgriff sitzt, jeder Absprung genau getimed ist.
Dann kommt der große Tag: Alice und Josef treten gemeinsam vor Publikum auf. Wie zwei Vögel fliegen die beiden durch die Luft – dann ereignet sich die Tragödie: Alice gleitet aus und stürzt ab. Schwer verletzt wird sie abtransportiert, sie ringt mit dem Tod. Josef ist so schwer traumatisiert, dass er verrückt wird und sich in seine ganz eigene Fantasiewelt flüchtet. Er will so lange auf dem Trapez verharren, bis seine Alice wieder zu ihm zurückkommt. Doch Alice kommt nicht wieder, obwohl einige Umstände ihres Todes und ihrer Beerdigung sehr merkwürdig sind. Hat sie vielleicht den Absturz nur vorgetäuscht und zum Anlass genommen, dem Zirkus und ihrem herrischen Vater Adieu zu sagen? Alice wollte ja schon lange in die große weite Welt hinaus, wagte es aber nicht aus Angst zu versagen. Vielleicht hat sie ja jemand kennengelernt, der versprach sie zu beschützen und zu versorgen? Keiner weiß es genau, aber es gibt viele Gerüchte. Ohne die Attraktion Alice verkommt der Zirkus mehr und mehr. Das aufkommende Kino beschleunigt den Abstieg, der herannahende Krieg tut sein Übriges dazu. Kurz vor dem Ruin erkennt Lord Dempsey, dass der übergeschnappte Josef sich durchaus als Publikumsmagnet eignet. Er erklärt ihn zum Vogelmenschen, kleidet ihn in ein schwarzes Federkostüm und präsentiert ihn den Zuschauern als "Blackbird". Doch auch das geht nur eine Weile gut, dann muss Dempsey sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass sein Zirkus für immer die Pforten schließen muss. Doch gerade noch rechtzeitig wacht Josef nach vielen Monaten aus seinem Trauma auf und studiert mit Nina eine neue Trapeznummer ein. Die Auftritte der beiden werden zu einem glanzvollen Erfolg – bis Josef eines Tages glaubt in der Menge unter sich Alice zu entdecken.
Kritik
Der Regisseur und Drehbuchautor Robinson Savary macht mit dem Film "Bye Bye Blackbird" seinen berühmten Vater alle Ehre. Nur – der Film ist eigentlich ein Stummfilm, der wirkt, als wäre er nur zufälligerweise ab und zu mit Ton versehen. Die Darsteller agieren wild geschminkt und heftig gestikulierend, als müssten sie ein Theaterpublikum in einer Großarena überzeugen, als gäbe es keine Kamera, die ihnen direkt ins Gesicht hält. Und James Thierree hat sich offensichtlich die Filme seines Opas Charly Chaplin so gut und so oft angesehen, dass er als Double durchgehen könnte. Der Film ist auch so farblos, dass er durchaus als schwarz-weiß Film mit ein paar Farbeffekten durchgehen würde.
Die Geschichte ist mehr als merkwürdig. Warum Peter, der eigentlich ganz friedlich auf dem Eisenträger sitzt, plötzlich herunterfällt – was man natürlich nicht sieht – während der herumhampelnde Josef oben bleibt, ist irgendwie unverständlich. Warum die ganze Zirkuscrew so unfreundlich zu Josef ist, der ihnen doch gar nichts getan hat, bleibt auch im Dunkeln. Warum die Knallcharge Lord Dempsey mit seiner schrecklichen Schminke nur herumbrüllt und Nina fertig macht, während Alice sein Herzilein ist, kapiert auch niemand. Warum Alice durch den schweren Sturz aus der Kuppel auf den harten Boden nicht getötet wird und nicht einmal bleibende Schäden davongetragen hat – niemand weiß es. Wie sie es als schwer Verletzte schafft, den Fängen ihres misstrauischen und eifersüchtigen Vaters zu entfliehen und einen reichen Pariser zu heiraten – nichts als Schweigen. Welche Leiche bei der Beerdigung im Sarg lag – tja, das ist die Frage.
Wie es Josef aushält monatelang auf der Trapez-Stange zu sitzen, von ein paar Ausflügen auf das Zirkusdach einmal abgesehen, ohne sichtbare Probleme wie Krämpfe oder so zu bekommen – keine Erklärung. Warum er plötzlich aufwacht und sofort wieder Trapezkünstler ist – wer will das wissen. Das sind nur ein paar Punkte, die mir auffielen. Und ich habe auch lange gerätselt, warum man Nina, die Akrobatik auf Pferden zeigt, nie in voller Größte auf dem Pferd sieht, nicht mal von Weitem, wo man ja eine Stunt-Frau hätte hernehmen können. Irgendwie wirken diese Szenen ziemlich albern.
Fazit
Der Film "Bye Bye Blackbird" ist ein sehr merkwürdiger Film, für den mir leider der Sinn völlig abgeht und mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann. Zur Information: Robinson Savary erhielt unter anderem dafür den Zuschauerpreis des Filmfestivals in Palermo.
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 50 %
Land: Deutschland • Großbritannien • Luxemburg • Österreich
Jahr: 2005
Laufzeit ca.: 96
Genre: Drama
Verleih: Reverse Angle Pictures
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 30.11.2006
Heimkino: 01.06.2007
Regie: Robinson Savary
Drehbuch: Robinson Savary • Arif Ali Shah • Patrick Faure
Schauspieler: James Thierrée (Josef) • Izabella Miko (Alice) • Derek Jacobi (Lord Dempsey) • Jodhi May (Nina) • Michael Lonsdale (Robert) • Andrej Acin (Roberto) • Claudine Peters (Miss Julia) • Carlos Pavlidis (Jenkins) • Niklas Ek (Djamako) • Peter Stein (Count Manicoldi) • Vera Bílá (Gypsy Singer) • Gilles Barbier (Skeleton Clown)
Produktion: Jani Thiltges
Szenenbild: Wilbert van Dorp
Kostümbild: Hazel Pethig • Uli Simon
Maskenbild: Aurélie Elich • Sara Meerman
Kamera: Christophe Beaucarne
Ton: Jean-Claude Laureux
Musik: Mercury Rev
Schnitt: Claire Ferguson
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Bild: Reverse Angle Pictures