Crimes of the Future

Kinoplakat Crimes of the Future

David Cronenberg zeichnet eine dystopische Version der Zukunft. Die Welt, in der Menschen keinen Schmerz empfinden können, ist kein Paradies, sondern besiedelt von verlorenen Seelen auf der Suche nach sich selbst. Unter Cronenbergs Federführung wird daraus eine lebende Performance mit den Hauptzutaten Horror, Blut und Ekel. Weniger für feinsinnige Menschen als vielmehr für Genre-Fans geeignet.

Eine Zeit der Veränderung löst bei vielen Menschen die Emotion der Unsicherheit aus. So geschieht es auch in der Zeit, in der mehr und mehr Menschen mutieren. Die meisten sind nicht mehr in der Lage Schmerz zu empfinden. Viele können keine sexuelle Erregung mehr fühlen und greifen zu Ersatzhandlungen. Etwa zu der, dass sie sich Verletzungen zufügen lassen. Manchen wachsen neue, bis dato unbekannte Organe. Die könnten den Körper zerstören oder den Menschen ungeahnte Kräfte verleihen. Die Regierung fürchtet, die Kontrolle zu verlieren, während Rebellen die Situation nutzen wollen.
Zwischen den Fronten stehen die Performance-Künstlerin Caprice und ihr Partner Saul. Ihm wachsen Organe, die sie bei Vorstellungen herausschneidet. Saul ist zudem einer der wenigen Menschen, die noch Schmerz empfinden können. Das macht ihm das Leben zur Hölle. Das Paar ist für mehrere Fraktionen interessant. Eine staatliche Stelle, die Rebellen und die Staatsgewalt wollen von ihnen profitieren.

Kritik

Die Basis der Science-Fiction ist klassisch. Eine Zeit der Veränderung erzeugt Ängste und Hoffnungen. Rebellen arbeiten gegen die Regierung. Die Schnittstelle zwischen verschiedenen Fraktionen bildet ein Künstlerpaar. Die verdienen ihren Lebensunterhalt durch Performances. Für gewöhnlich schneidet sie, die Chirurgin, ihrem Partner Organe heraus. Dabei kann sie bisweilen wie eine Hohe Priesterin auftreten, während er in seiner Kutte an einen Mönch denken lässt.

Eine Säule des Films ist seine Philosophie. Der Kritiker hat versucht, möglichst viel davon im Hinterkopf zu behalten. Doch der Film ist die meiste so dunkel, dass es unmöglich war beim Sehen zu schreiben. Am Ende kann der Kritiker nur sagen, dass er nicht alle Gedankengänge verstanden hat. Menschen können keinen Schmerz mehr empfinden und haben sich dadurch selbst verloren. Es werden Emotionen angesprochen und die Suche des Menschen nach sich selbst.

Eine andere Säule ist der Körper-Horror. Menschliche Körper werden in Nahaufnahme aufgeschnitten und es fließt viel Filmblut. Organe werden lebenden Menschen herausgeschnitten und wie Trophäen präsentiert. Die einzige Szene, in der der Kritiker wegsehen musste war die, in der einem Mann der Mund zugenäht wird. Neben Blut spielen Knochen eine große Rolle. So sitzt Viggo Mortensen als Saul auf einem beweglichen Stuhl aus Knochen, der ihm beim Frühstücken helfen soll. Die Maschine, die bei der Performance zum Einsatz kommt, hat keine klassischen Greifer, sondern Knochen.

Eine weitere Säule ist das Szenenbild. Die Welt ist düster und rostig, während die Menschen stets in adretter Kleidung auftreten. Licht ist Mangelware. Die Besucher der Vorstellungen arbeiten mit veralteter Technik, während Léa Seydoux als Caprice mit modernster Technik hantiert.

David Cronenberg vermischt die genannten Versatzstücke zu einer Performance. Die ist handwerklich nicht durchgehend befriedigend. Da fallen die vielen Wiederholungen ins Auge. Viggo Mortensen etwa sitzt mehrfach röchelnd und würgend auf seinem Frühstücks-Stuhl. Das einmal zu sehen, reichte dem Kritiker. Ebenso die häufigen, ähnlichen Vorstellungen.

Enttäuschend ist der Umstand, dass am Schluss lose Enden lose bleiben, Andeutungen unerklärt sind und die Fraktionen einander nie direkt begegnen. Motivationen und Drahtzieher sind nebulös. Gibt es eine dritte Fraktion oder arbeiten zwei Gruppen zusammen? Wer spielt welche Rolle?

Unverständlich ist, warum die Regierungsstelle noch geheim ist, aber ihren Namen schon mit dicken Lettern auf die Eingangstür geschrieben hat. Den Bezug zur Politik sieht der Kritiker nicht. Ja, Dinge sind fast immer politisch und es ist eine Stellungnahme sich Organe herausschneiden zu lassen oder nicht. Die Kritik an Plastik entspricht dem Zeitgeist und ist trotzdem aufgesetzt.

Die Darstellerinnen und Darsteller arbeiten überwiegend gut. Viggo Mortensen bleibt ein wenig blass in seinem Spiel. Mal ringt er nach Luft, dann kann er frei atmen und muss später wieder röcheln. Léa Seydoux leidet viel und es gelingt ihr dabei gut auszusehen. Don McKellar als Wippet hört sich selbst wohl gerne reden. Insgesamt ist der Film auffällig dialoglastig. Gelungen sind kleine Elemente wie das, dass ein Schwarzer in der von Weißen dominierten Welt das Gesetz vertritt.

Fazit
Für "Crimes of the Future" gilt, was für Kunst im Allgemeinen gilt. Sie entsteht im Auge des Betrachters. Fans mögen den Film vielleicht als Meisterwerk betrachten; andere ihn als grob und ekelig einstufen. Der Kritiker kann den Film weder lieben noch hassen. Manche Aspekte sind eventuell beim zweiten Anschauen verständlich. Wie der Umstand, dass herkömmlicher Sex nicht mehr funktioniert. Die Ersatzhandlung des Aufschneidens ist für den Kritiker Macht und Ohnmacht, die beim Sex vielleicht eine Rolle spielen können als Dominanz und Unterwerfung. Aber wenn Caprice an Sauls Wunde nuckelt als Ersatz für Oralsex, dann ist das albern.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Land: FrankreichGriechenlandGroßbritannienKanada
Jahr: 2022
Laufzeit ca.: 108
Genre: DramaHorrorScience-Fiction
Verleih: Weltkino
FSK-Freigabe ab: 16 Jahren

Kinostart: 10.11.2022
Heimkino: 24.03.2023

Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg

Schauspieler: Viggo Mortensen (Saul Tenser) • Lihi Kornowski (Djuna) • Léa Seydoux (Caprice) • Scott Speedman (Lang Dotrice) • Kristen Stewart (Timlin) • Don McKellar (Wippet) • Nadia Litz (Router) • Tanaya Beatty (Berst) • Mihalis Valasoglou (NVU Agent) • Welket Bungué (Cope) • Tassos Karahalios (Klinek) • Ephie Kantza (Adrienne Berceau)

Produktion: Robert Lantos • Panos Papahadzis • Steve Solomos
Szenenbild: Carol Spier
Kostümbild: Mayou Trikerioti
Maskenbild: Alexandra Anger • Dora Nazou • Stacey Panepinto • Alex Priftis • Hronis Tzimos • Evi Zafiropoulou
Kamera: Douglas Koch
Musik: Howard Shore
Schnitt: Christopher Donaldson

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Bild: Weltkino

1 customer review

Befriedigend
09.11.22
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