Das Motiv der vertrauten Fremden trägt zwei Menschen durch die Nacht. Sie ist der Fahrgast im Taxi und Er ist der naive Psychologe, dem es leicht fällt sie zu durchschauen. Weil die Fahrt wegen eines Staus länger dauert als geplant, kommen die zwei einander näher.
Es gibt Momente, in denen fremde Menschen zusammenkommen und in denen Nähe und Vertrauen entstehen. Nicht falsch ist der Eindruck, dass das Drama wie ein Besuch beim Friseur beginnt. Eine junge Frau steigt in ein Taxi und die Unterhaltung entsteht zwangsläufig, weil zwei Menschen auf engem Raum sitzen. Sie beginnt Kreise zu ziehen: Aus unverfänglichen Themen geht es unter die Haut. Dem Taxifahrer fällt es aufgrund seiner Menschenkenntnis leicht den Fahrgast einzuschätzen. Es kommt zum offenen Zwiegespräch darüber, wie unterschiedlich Männer und Frauen in Beziehungen gehen und welche Wünsche sie mitbringen. Am Ziel angelangt, habe beide von der Unterhaltung profitiert.
Kritik
Sean Penn spielt die Rolle des naiven Psychologen gefällig. Die Maske hat ihm einen knuffigen Haarschnitt verpasst. Dakota Johnson in der Rolle der jungen Frau spielt ebenfalls gefällig und sieht durchgängig aus wie aus dem Ei gepellt. Die Komposition der Dramaturgie ist insgesamt stimmig. Die Kamera verlässt das Innere des Taxis in unregelmäßigen Abständen und fängt Establishing shots ein, die gleichzeitig als Füllmaterial dienen.
Zum Kammerspiel schwingt sich "Daddio" nicht auf. Dafür fehlt es insbesondere der weiblichen Hauptrolle an Zeichnung. So ist die junge Frau laut eigener Aussage Programmiererin. Was sich weder in ihrem Äußeren noch in ihrem Verhalten widerspiegelt. So fehlt etwa der analytische Verstand. Clarks (Sean Penn) Rolle ist die des Menschenkenners. Seine Menschenkenntnis ist der eines Taxifahrers angemessen. Teils geht sie erstaunlich tief, teils bleibt es bei Gewäsch. Das ist so weit glaubwürdig umgesetzt und entschuldigt eine fehlende Tiefzeichnung. Allerdings lässt der Umstand, dass er laut eigener Aussage zwanzig Jahre Taxi fährt, aufhorchen. Was war sein Beruf davor? Warum hakt sie nicht nach? Schließlich ist er kein junger Mann mehr.
Interessant an dem Gespräch ist, dass sie die Aussöhnung mit dem emotional distanzierten Vater sucht und dies während der Nacht mit der Vaterfigur Clark gelingt. Im Gegenzug rückt sie sein antiquiertes, teils frauenfeindliches Weltbild etwas zurecht, indem sie ihm aufzeigt, dass seine erste Frau nicht so dumm war, wie er meint, sondern ihm die Rolle vorgespielt hat, die er sehen wollte. Im Ergebnis wird die Fahrt nicht zur Psychoanalyse – obwohl sie den Preis dafür in der Form von Trinkgeld zahlt. Und das viele Reden trägt den Film nur bedingt.
Fazit
Das Drama "Daddio" ist ein nettes, wenn auch simples Drama. Mit Sextalk, der Bucket List, der lesbischen Stiefschwester und dem Smartphone versucht es modern zu wirken. Für ein Kammerspiel fehlen Tiefgang und Ausbau der Figuren, die bis zu einem gewissen Grad langweilig bleiben. Schon während des Sehens fragte sich der Kritiker, ob die Dramaturgie auf einem Theaterstück fußt. Laut Presseheft war "Daddio" als Theaterstück angedacht. Vielleicht wäre das die bessere Umsetzung, wegen der genannten Kritikpunkte. Das Drehbuch hakt Punkte ab, der Spannungsbogen bricht dabei mehrfach ein und es fehlt an Geschmeidigkeit. Wenn Sean Penn sich für Macho-Allüren und sogar für die Männer an sich entschuldigt, dann ist das dick aufgetragen. Zudem ist es schade, dass Christy Hall (Drehbuch und Regie) aus schlechten Erfahrungen oder mangels besserer Ideen, die männliche Sexualität auf Vorurteile reduziert. Das Filmende greift zu sehr in die Gefühlskiste.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: USA
Jahr: 2023
Laufzeit ca.: 101
Genre: Drama
Verleih: Leonine
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 27.06.2024
Regie: Christy Hall
Drehbuch: Christy Hall
Schauspieler: Dakota Johnson (Girlie) • Sean Penn (Clark)
Produktion: Dakota Johnson • Ro Donnelly • Emma Tillinger Koskoff • Christy Hall • Paris Kassidokostas-Latsis • Terry Dougas
Szenenbild: Kristi Zea
Kostümbild: Mirren Gordon-Crozier
Maskenbild: Michelle Ceglia • Sasha Grossman • Emma Strachman
Kamera: Phedon Papamichael
Musik: Dickon Hinchliffe
Schnitt: Lisa Zeno Churgin
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Bild: Leonine