Dear Wendy

Kinoplakat Dear Wendy

Der tranige junge Dick kauft als Geburtstagsgeschenk eine Spielzeugpistole. Doch sein Kollege im Drugstore klärt ihn auf, dass die Pistole durchaus echt ist. Dick ist fasziniert, findet in Kollege Stevie eine verwandte Seele, und beide tun sich zusammen. Sie geben ihren Waffen Namen, gründen einen pazifistischen (!) Waffenclub, den sie "The Dandies" nennen, und bald ist dieser Club ein Sammelbecken für Ausgestoßene und Loser.

Der Film "Dear Wendy" beginnt mit Dick (hervorragend: Jamie Bell), einem introvertierten jungen Einzelgänger, der in der ärmlichen Bergarbeiterstadt Estherslope lebt. Dick hat keine Freunde, interessiert sich nur für Bücher, und arbeitet schließlich, mangels Interesse für andere Dinge, in einem Drugstore. Betreut wird Dick von einer schwarzen Haushälterin, und die sorgt dafür, dass der Junge zum Geburtstag ihres Neffen eingeladen wird. Dick braucht also ein Geburtstagsgeschenk. Er geht in den örtlichen Kramerladen und lernt dort die junge Susan (zu Herzen gehend: Allison Pill) kennen. Susan ist ähnlich introvertiert wie er, ohne Freunde, ohne besondere Interessen. Sie hilft im Laden nur aus. Beide finden sich, auf ihre schüchterne Art, sympathisch. Susan empfiehlt Dick ein Buch, das besonders preiswert ist, weil ein paar Seiten fehlen. Dick nimmt es, und entdeckt anschließend eine Spielzeugpistole. Nach langem Nachdenken kauft er auch die. Und das ist sozusagen der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Dick, der überzeugte Pazifist, ist fasziniert von seiner Pistole und nimmt sie sogar mit zur Arbeit. Als sein Arbeitskollege Stevie (überzeugend: Mark Webber) die Waffe entdeckt, klärt er ihn darüber auf, dass das keineswegs eine Spielzeugpistole ist, sondern eine echte Waffe, eine 6,35 mm Sechsschüsser Double-Action Revolver mit Perlmuttgriff und innen liegendem Hahn. Dick ist daraufhin noch faszinierter. Er stellt fest, dass der wortkarge Stevie ein Waffennarr ist, der ebenfalls ein Schießeisen besitzt: eine 7,63 mm Broomhandle Semi-Automatik, Modell 1898. Stevie kennt jede Waffe, kennt jede Geschichte hinter jeder Waffe, entpuppt sich zudem als technisches Genie, und seinem "Partner", wie er Waffen nennt, hat er sogar einen Namen gegeben: Bad Steel. Daraufhin gibt auch Dick seinem Revolver einen Namen: Dear Wendy.

Nach und nach stoßen die anderen dazu: Die introvertierte Susan, die mit ihren "Partnern" Lee & Grant zu einer wahren Wunderschützin wird, deren besondere Spezialität "Ricochet" ist, eine spezielle Abprall-Technik; der gehbehinderte Huey (aufrührend: Chris Owen), der von allen gehänselt wird, und der sein Ego mit seinem "Partner" Lyndon, einem Vorderlader Kaliber 52 aufmöbelt; der verschüchterte Freddie (ergreifend: Michael Angarano), der kleine Bruder von Huey, der ständig wegen seines gehbehinderten Bruders verprügelt wird, und der sich den "Partner" Woman und eine ganze Kiste mit Automatikwaffen zulegt; und last not least der farbige Sebastian (eindringlich: Danso Gordon), der "Veteran" unter den Sechsen, der angeblich schon einmal jemand umgebracht hat, und der seiner Waffe bezeichnenderweise den Namen Peace – Frieden – gibt.

Die Sechs gründen einen Club, den sie "the Dandies" nennen, und der nicht nur eine ganze Menge strenger Verhaltensregeln in Bezug auf den Gebrauch von Schusswaffen beinhaltet, sondern in dem sie auch mit altertümlichen Kostümen ausstaffieren. Ihr Clubhaus ist eine alte, aufgelassene Mine, die sie sich entsprechend einrichten. Hier können sie in Ruhe mit den Waffen üben, in ihren Kostümen herumlaufen, und ihre schüchternen Freundschaften pflegen, ohne von ihren Mitmenschen behelligt zu werden. Doch Krugsby (Bill Pullman), der Sheriff der Stadt, wird misstrauisch, als sich Sebastian der Gruppe anschließt. Er versucht herauszufinden, was das Sextett das so treibt, und damit nimmt das Unheil seinen Lauf. Denn auch die pazifistischen Dandies müssen bald feststellen, dass der Besitz von Waffen zwangsläufig auch zu deren Gebrauch animiert.

Kritik

Lars von Trier hat das Buch zum Film "Dear Wendy" geschrieben, Thomas Vinterberg führte die Regie, die beiden gründeten ja 1995 Dogma '95. Doch "Dear Wendy" ist kein Dogma-Film geworden, der Wert auf höchstmögliche Authentizität legt, wie z. B. "Das Fest". Der Film "Dear Wendy" ist ein eher künstlicher Film wie "Dogville", ein Streifen, der ganz offensichtlich in Kulissen gedreht wurde. Er entstand übrigens im Filmbyen-Komplex bei Kopenhagen, wo die Gebäude einer alten Militär-Basis in die ärmliche Minenstadt Estherslope umgewandelt wurden. Ebenfalls an "Dogville" erinnert die Erzählerstimme, die den Film kommentiert.

Der Film "Dear Wendy" ist ein Film über Waffen und die extreme, geradezu perverse Liebe zu Waffen. Lars von Trier sagte dazu: "… Es ist wirklich ein Fetisch. Wenn man sich im Internet umsieht, stößt man auf tausende Websites, die diesem Thema gewidmet sind. Leute, die ihren Waffen Gedichte schreiben und anderes derartig gestörtes Zeug." Der Film "Dear Wendy" zeigt, wie so eine gestörte Liebe entstehen kann: aus Einsamkeit, aus Sprachlosigkeit, aus mangelndem Selbstbewusstsein, aus Angst, Hass, Verlorenheit. Und er zeigt, dass so eine Liebe schlussendlich nur zur Vernichtung führen kann, zur Vernichtung anderer und zur Vernichtung des Schützen selbst.

Bei uns in Deutschland ist das Thema Schusswaffen natürlich nicht so aktuell wie in Amerika, wo praktisch jeder auf die eine oder andere Art bewaffnet ist, und auch überdurchschnittlich häufig von der Schusswaffe Gebrauch macht. Lars von Trier und Thomas Vinterberg haben offensichtlich auf satirische Weise diesen amerikanischen Waffenwahn aufs Korn nehmen wollen. Doch sie haben – jedenfalls für meinen Geschmack – etwas zu dick aufgetragen. In diesem künstlichen Kulissen-Western ragen für mich ständig dicke Zeigefinger und noch dickere Ausrufezeichen auf. Dazu passt auch, was Thomas Vinterberg über den Film sagte: "Ich habe verdammt viel über Handfeuerwaffen gelernt, und Lars hat Recht, wenn er behauptet, dass sie faszinierende und erstaunliche Instrumente sind. Aber es gibt eine klare Grenze zwischen der Faszination und dem, wofür die Waffen gebraucht werden. Wo ich aufgewachsen bin, waren Waffen ein Symbol des Bösen, aber es ist eben nur ein Ding, das man richtig oder falsch benutzen kann."

Fazit
Wenn man den Film "Dear Wendy" nur als wirklich gut gespielten, spannenden Western mit Jugendlichen betrachtet, dann kann man sich durchaus gut unterhalten. Ansonsten ist die blauäugige Warnung vor dem Umgang mit Waffen etwas arg naiv. Da sollte man sich dann doch lieber noch mal Michael Moores "Bowling For Columbine" ansehen. Noch ein Wort zur Musik: ein absolutes Highlight des Films sind die alten Songs der britischen Kultband The Zombies, angefangen bei "Time Of The Season" bis hin zu "She's Not There".
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 60 %


Land: DänemarkDeutschlandFrankreichGroßbritannien
Jahr: 2005
Laufzeit ca.: 105
Genre: DramaKomödieKrimiRomantik
Verleih: Legend Filmverleih
FSK-Freigabe ab: 18 Jahren

Kinostart: 06.10.2005
Heimkino: 01.01.2009

Regie: Thomas Vinterberg
Drehbuch: Lars von Trier

Schauspieler: Jamie Bell (Dick Dandelion) • Bill Pullman (Krugsby) • Michael Angarano (Freddie) • Danso Gordon (Sebastian) • Novella Nelson (Clarabelle) • Chris Owen (Huey) • Alison Pill (Susan) • Mark Webber (Stevie) • Trevor Cooper (Dicks Dad) • Matthew Géczy (Officer) • William Hootkins (Marshall Walker) • Teddy Kempner (Mr. Salomon) • Thomas Bo Larsen (Kunde)

Produktion: Sisse Graum Jørgensen
Szenenbild: Karl Júlíusson • Jette Lehmann
Kostümbild: Annie Périer
Maskenbild: Pascale Bouquière • Susanne Søbye
Kamera: Anthony Dod Mantle
Musik: Benjamin Wallfisch
Schnitt: Mikkel E.G. Nielsen

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Bild: Legend Filmverleih

1 customer review

befriedigend
06.10.05
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