Heute gehe ich allein nach Hause

Kinoplakat Heute gehe ich allein nach Hause

Als blinder Teenager homosexuell zu sein, stelle ich mir schwierig vor. Der Film nimmt es leicht und nutzt es als einen Baustein in einem klassischen Teenager-Drama, das von der Freundschaft zwischen Leonardo und Giovana erzählt. Und wie Gabriel alles durcheinanderbringt.

Leonardo möchte Abstand zu seinem Elternhaus gewinnen. Das fällt dem Teenager schwerer als seinen Mitschülern, weil er blind ist. Einige Schüler der Schule hänseln ihn wegen seiner Behinderung, die beste Freundin Giovana hilft ihm, wo sie kann. Wobei schnell die Erkenntnis mitschwingt, dass Giovana nicht ganz uneigennützig handelt, denn sie ist in Leonardo verliebt. Darum ist es für sie ein Schock, als Leonardo die Möglichkeiten nach einem Schüler-Austausch auslotet, um so seinem Elternhaus zu entfliehen. Insbesondere die überfürsorgliche Mutter engt ihn ein, während der Vater Verständnis zeigt.
Als eines Tages Gabriel als neuer Mitschüler in die Klasse kommt, zieht der schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Zu Giovanas Ärger versucht das Schul-Flittchen bei Gabriel zu landen. Doch der hat nur Interesse an Leonardo.

Kritik

Ein Teenager-Film übers Heranwachsen eines Blinden mit Coming-out zu mischen klingt nach einer spannenden Idee. Allerdings stellt der Film nicht die Homosexualität in den Mittelpunkt und es ist auch kein Coming-out-Film, sondern im längsten Abschnitt ein Kampf um Unabhängigkeit. Zudem spricht der Film die Themen Blindheit und Homosexualität an. Allerdings ohne etwas zu vertiefen. Den Kern bildet ein konventioneller Teenager-Film, der die üblichen Mechanismen und Themen behandelt wie beste Freundin / bester Freund, erste Liebe, unerfüllte Liebe und Eifersucht, Partys und Alkohol, selbst ans Flaschendrehen wurde gedacht.

Die Annäherung zwischen den zwei Jungs geschieht erst relativ spät im Film und ist nicht dessen Schwerpunkt. Die Homosexualität ist einerseits angenehm undramatisch inszeniert, andererseits auch wenig originell. Da vergisst Gabriel seine Jacke bei Leonardo und der zieht die Jacke an, riecht daran und beginnt zu onanieren. In einer späteren Szene stehen beide Teenager unter der Dusche und der blinde Leonardo duscht verschämt in der Unterhose. Als er dann doch die Hose auszieht und Gabriel dessen Po sieht, muss er das Duschen abbrechen. Hingegen fehlt es Szenen wie der, in der sich die Hände das erste Mal berühren an Knistern.
Was zum Teil am mangelnden schauspielerischen Ausdruck liegt. Ghilherme Lobo spielt den blinden Leonardo mit starrem Blick und maskenhaftem Gesicht. Warum ein Blinder mit seinem Gesicht so wenig ausdrückt ist unverständlich. Tess Amorim als beste Freundin schaut fast unablässig wie sieben Tage Regenwetter. Und auch Fabio Audi als Gabriel ist eher als sympathisch denn als ausdrucksstark zu bezeichnen.
Das Drehbuch gibt den Schauspielern zudem wenig Möglichkeiten zum Ausbau der Rollen, statt zu spielen wird fast unablässig geredet. Umso enttäuschender, dass Musik ausdrücken soll, was die Szenen nicht zeigen. Es steht zu vermuten, dass Regisseur Daniel Ribeiro bei seinem ersten Langfilm die Erfahrung beim Regie führen fehlt.

Was Gabriel an Leonardo mit dem unvorteilhaften Haarschnitt und dem starren Gesichtsausdruck findet, erschließt sich mir nicht. Schade finde ich die verschenkten Möglichkeiten hinsichtlich der Eltern-Kind-Beziehung. Leonardos Mutter ist überfürsorglich und der Vater ist verständnisvoll. Damit deutet er eine Seite an, die man eher bei der Mutter erwarten würde. Der Film baut jedoch weder dies noch die familiären Beziehungen insgesamt aus. Wie die Eltern mit der Homosexualität des Sohnes umgehen werden, erfährt der Zuschauer nicht mehr, weil die Handlung zuvor endet. Die Konstellationen der Teenager untereinander entsprechen einem klassischen Teenager-Drama und zeigen nichts Neues. Die vielen Wiederholungen und der plätschernde Erzählfluss sind dem Film abträglich. Das zunächst raumgreifende Thema der Unabhängigkeit bleibt schlussendlich offen.

Fazit
Um Missverständnisse zu vermeiden: In der Kritik steht nicht die Homosexualität am Pranger, sondern das Handwerk des Films. Die Themenwahl "Homosexualität und Behinderung" macht den Film vielleicht für manche Menschen unangreifbar. Bringt man den Mut auf davon abzusehen, ist das Drehbuch konventionell, die Dramaturgie ungelenk mit vielen Wiederholungen. Die Handlung bleibt oberflächlich ohne Weiterentwicklung der Charaktere und der Problemstellungen. Die Schauspieler spielen insgesamt gesehen schlecht. Das Ende bietet ein schönes Schlussbild und beendet den Film, ohne eine besondere Aussage getroffen zu haben.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 40 %


Original Filmtitel: Hoje Eu Quero Voltar Sozinho
Land: Brasilien
Jahr: 2014
Laufzeit ca.: 95
Genre: DramaLGBTRomantik
Stichwort: gay
Verleih: Salzgeber
FSK-Freigabe ab: 6 Jahren

Kinostart: 26.02.2015
Heimkino: 24.03.2015

Regie: Daniel Ribeiro
Drehbuch: Daniel Ribeiro

Schauspieler: Ghilherme Lobo (Leonardo) • Fabio Audi (Gabriel) • Tess Amorim (Giovana) • Lúcia Romano (Laura) • Eucir de Souza (Carlos) • Selma Egrei (Avó Maria) • Isabela Guasco (Karina) • Victor Filgueiras (Guilherme) • Pedro Carvalho (Fabio) • Guga Auricchio (Carlinhos) • Bárbara Pereira (Marta) • Matheus Abreu (William)

Produktion: Diana Almeida • DanielRibeiro
Szenenbild: Olivia Melena Sanches
Kostümbild: Flavia Lhacer • Carla Boregas
Maskenbild: Ebony
Kamera: Pierre de Kerchove
Ton: Gabriela Cunha
Schnitt: Cristian Chinen

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Bild: Salzgeber

1 customer review

ausreichend
26.02.15
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zu konventionell
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