Jacques möchte einfach nur in Ruhe sein Weinfachgeschäft führen und von niemandem belästigt werden. Auf den Rat seines Arztes hört er nur ungern, denn er meint, dass ein Weinhändler Wein trinken muss aus beruflichen Gründen. Ein Alkoholproblem zu haben streitet Jacques ab. Ebenso behauptet er in Hortense nur eine Kundin zu sehen. Wenn er da mal nicht irrt.
Griesgram Jacques führt ein kleines Geschäft und ist bewandert auf seinem Gebiet. Im Umgang mit Menschen weniger. Zudem trinkt er zu viel Wein. Sein Arzt rät ihm dringend zur Abstinenz und der Körper sendet Warnsignale. Als eines Tages die freundliche und etwas naive Hortense ins Geschäft kommt, um Wein zu kaufen, ist das Interesse auf beiden Seiten gegeben. Im Gegensatz zu Jacques' Praktikanten Steve, der meint, Jacques könne Hortense flachlegen, ist der Einzelgänger nicht so einfach zu überzeugen. Hortense ergreift die Initiative, zeigt offen Interesse und versucht, über den Umweg der Weinprobe, den Kontakt herzustellen. Unvermittelt taut Jacques, der zwischenzeitlich Hilfe bei den Anonymen Alkoholikern sucht, ein wenig auf. Es kommt zu Verabredungen und das Verhältnis ist harmonisch. Doch nur so lange, bis beide feststellen, dass hier nicht nur Beziehungsarbeit geleistet werden muss.
Kritik
Im Französischen heißt der Film schlicht "Die Weinprobe". Was auch im Deutschen die bessere Wahl gewesen wäre als der alberne Titel "Weinprobe für Anfänger". Im ersten Abschnitt liegt der Fokus auf der Komödie und insbesondere die titelgebende Weinprobe hat es in sich. Da kommt es zu Eifersüchteleien und missverständlichen Wortspielen. So behauptet Hortense sinngemäß, dass der Wein im Mund größer wird. Davon abgesehen, darf Praktikant Steve zeigen, dass er die Qualitäten zum Sommelier besitzt. Den Abend krönt Jacques ungeschickt mit einem Abschiedsgeschenk, das stilecht aus einer Flasche Wein besteht, die auf dem Etikett die Auslobung "Vorspiel" trägt. Schön anzusehen ist auch die Speisung der Obdachlosen, die ans letzte Abendmahl erinnert.
Nach der beschwingten Einführung und den teils frivolen Scherzen kippt der Film ins Schwere. Jacques leidet unter einem unbewältigten Trauma, das auch seine Alkoholsucht erklärt. Hortenses Mutter stirbt. Sie möchte Nähe und Jacques Distanz. Was sie sich wünscht, lehnt er ab. Sie kämpft um die Beziehung, er blockt. Dies sind Beispiele und nicht alle behandelten Problematiken.
Die Probleme sind durchaus lebensnah und es fällt auf, dass das Drehbuch den Hauptdarstellern ihrem Alter entsprechende Probleme geben will. Allerdings macht es den Eindruck, dass die während der Dreharbeiten fünfzig Jahre alte Isabelle Carré und der dreiundsechzigjährige Bernard Campan zu alt für die Probleme sind. Genaueres soll nicht verraten werden zugunsten der Spannung. Das Alter ist nicht der einzige unstimmig wirkende Faktor der Dramaturgie. Zum einen bekommt das Dramatische zu viel Raum. Zum anderen bleibt der Film hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es wäre denkbar, das Verhältnis zwischen Jacques und Steve mehr auszubauen. Die zwei sind im Alter von Vater und Sohn und angesichts von Jacques Lebenslauf wäre ein Vater-Sohn-Verhältnis denkbar. Leider passiert zwischen den Männern zu wenig. Auch hinsichtlich des Verhältnisses Chef und Praktikant Erstaunlich ist, wie gelassen Jacques nach der Heimkehr auf den Zustand seines Geschäftes reagiert. Weiterhin bleibt unklar, wie der Buchhändler, der Hortense ebenfalls begehrt, darauf reagiert, leer auszugehen. Es sind kleine Fäden, an denen das Drehbuch durchaus noch hätte ziehen können. Gefallen kann wiederum das versöhnliche Ende.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler leisten gute Arbeit. Allen voran Bernard Campan als miesepetriger Jacques Dennemont, der etwas Liebenswertes durchscheinen lässt. Bemerkenswert auch Mounir Amamra als Steve, der es faustdick hinter den Ohren hat und eine Chance verdient. Er hätte mehr Leinwand-Zeit bekommen können. Etwas blass bleibt Isabelle Carré als Hortense Le Bris. Die Rolle der naiven Hebamme hätte mehr Zeichnung vertragen können.
Fazit
Leider schöpft die dramatische Komödie "Weinprobe für Anfänger" ihr Potenzial nur teilweise aus. Das Kippen von der Leichtigkeit in die Schwere ist keine gute Idee. Auch weil Der dramatische Teil zu lang geraten ist. Punkten kann der Film mit sympathischen Darstellern und teils frechen Scherzen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Laufzeit ca.: 92
Genre: Drama • Komödie
Verleih: Studiocanal
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 29.09.2022
Regie: Ivan Calbérac
Drehbuch: Ivan Calbérac
Schauspieler: Isabelle Carré (Hortense Le Bris) • Bernard Campan (Jacques Dennemont) • Mounir Amamra (Steve) • Eric Viellard (Guillaume) • Olivier Claverie (Dr. Milmont) • Geneviève Mnich (Danièle Le Bris) • Rébecca Finet (Dr. Valensi) • Séphora Pondi (Hebamme) • Sébastien Delpy (Benoîts Vater) • Pierre Benezit (M. Meyer) • Jeanne Arènes (Sozialarbeiterin) • Michaël Perez (Barnabé)
Produktion: Isabelle Grellat • Eric Altmayer • Nicolas Altmayer
Szenenbild: Julia Lemaire
Kostümbild: Charlotte David
Maskenbild: Anais Lavergne • Sabine Pollet
Kamera: Philippe Guilbert
Ton: Philippe Fabbri • Damien Aubry • Emmanuel Croset
Musik: Laurent Aknin
Schnitt: Veronique Parnet
Bild: Studiocanal