Capote

Kinoplakat Capote

1959 ist der amerikanische Schriftsteller Truman Capote ein gefeierter Autor. Sein Buch "Frühstück bei Tiffany" machte ihn zum Liebling der New Yorker. Sein ungewöhnliches Aussehen, seine liebenswürdige Arroganz, seine seltsam kindlich hohe Stimme, seine ausgefallene Art der Kleidung, und seine offen ausgelebte Homosexualität machten ihn zum Liebling der Jetsets. Alle Türen standen dem damals 35-jährigen offen. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller schrieb er auch Kurzgeschichten und Artikel für die Zeitung The New Yorker. Als Capote 1959 in der New York Times auf den grässlichen Mord an einer vierköpfigen Familie in Kansas stieß, war er fasziniert.

Der Film "Capote" erzählt die Entstehungsgeschichte des berühmten Truman Capote Romans "Kaltblütig". Der Schriftsteller, Drehbuchautor, Verfasser von Kurzgeschichten, Genie und immer amüsante schwule Dandy ist wohl die schillernste, interessanteste, und ungewöhnlichste Figur unter den amerikanischen Autoren. Der Sohn eines Kleinkriminellen aus New Orleans hatte schon als Jugendlicher mit dem Schreiben begonnen, hatte 1951 mit dem Roman "Die Grasharfe" seinen großen Durchbruch, und wurde 1958 mit "Frühstück bei Tiffany", das erfolgreich mit Audrey Hepburn verfilmt wurde, zum internationalen Star.

Im November 1959 las Truman Capote (einfach grandios und atemberaubend ähnlich: Philip Seymour Hoffman), damals gerade 35 Jahre alt, in der New York Times einen Artikel über einen besonders bestialischen Mord. Die vierköpfige Clutter-Familie war in Kansas ermordet worden, ein Motiv war nicht erkennbar. Capote beschloss, diesen Mord zum Inhalt seines nächsten Artikels zu machen. Er reist in Begleitung seiner Jugendfreundin Harper Lee (wunderbar: Catherine Keener) ins amerikanische Hinterland, um seine Recherchen vor Ort durchführen zu können. Harper Lee war übrigens auch Schriftstellerin, von ihr stammt der hervorragende Roman "Wer die Nachtigall stört". Doch Capote fiel in Holcomb wie ein Paradiesvogel im Hühnerstall auf. Der kleine Mann mit den angeklatschten blonden Haaren, der großen, dunkel umrandeten Brille, stets überkorrekt mit Fliege und modischen Anzügen gekleidet, die kindlich helle, quetschig-durchdringende Stimme, das unübersehbar schwule Gebaren, das alles brachte die dörflichen Einwohner zum Staunen. In New York war Truman Capote ein Superstar, bekannt wie der berühmte "bunte Hund", den sogar Lastwagenfahrer auf der Straße freundlich anredeten. Aber hier, im tiefsten Kansas, musste Truman Capote erst mal mit vielen Vorurteilen und Abneigungen fertig werden. Dass er das nonchalant schaffte und sogar zu einer Vertrauensperson wurde, spricht für sein Einfühlungsvermögen und Feingefühl.

Inzwischen waren auch die Mörder Perry Smith (intelligent: Clifton Collins Jr.) und Dick Hickock (unheimlich: Mark Pellegrino) gefasst worden, und der berühmte Schriftsteller schaffte es, Interviews mit ihnen machen zu dürfen. Aufgrund dieser Interviews und der Recherchen, die er mit Unterstützung des aufgeschlossenen Detektivs Alvin Dewey Jr. (überzeugend: Oscar-Preisträger Chris Cooper) durchführte, beschloss Capote, den Artikel sausen zu lassen, und aus dem Fall ein Buch zu machen. Was von Capote anfänglich als Angelegenheit von ein paar Monaten eingeschätzt wurde, weitete sich zu einer 6-jährigen akribischen Untersuchung aus. Erst 1966 erschien dann der Roman "Kaltblütig", der erste Non-Fiction-Roman, also Tatsachen-Roman, der Dutzende von anderen Schriftstellern beeinflussen sollte.

Für Truman Capote wurden diese langen Jahre des Recherchierens zu einem Abstieg in die Hölle. Er begann den Stress und die psychischen Belastungen mit Alkohol und Tabletten zu bekämpfen, verstrickte sich immer mehr in eine seltsame persönliche und tiefgehende Beziehung zu dem intelligenten Halbindianer Smith, stieß mehr als einmal seine Jugendfreundin Harper Lee vor den Kopf (nach den Arbeiten zu dem Roman sahen sie sich nie wieder), und setzte sogar seine langjährige und enge Beziehung zum Partner Jack Dunphy (sympathisch: Bruce Greenwood) aufs Spiel. Diese sechs Jahre aus dem Leben Truman Capotes stehen im Mittelpunkt des überragenden Films "Capote".

Kritik

Der Film "Capote" entstand nach der Biografie von Gerald Clarke, die dieser in Zusammenarbeit mit Truman Capote geschrieben hat. Clarke reiste damals für die Suche nach Informationen kreuz und quer durch die Weltgeschichte, und schaffte es, alle Personen, die auch im Film vorkommen, kennenzulernen und zu interviewen. Alle, bis auf zwei: die beiden Mörder Smith und Hickock waren 1965 hingerichtet worden. Sie können also davon ausgehen, dass die Details des Films "Capote" bis in die kleinste Kleinigkeit stimmen. Ich bin alt genug, um Truman Capote, der am 25. August 1984 in Los Angeles, einen Monat vor seinem 60. Geburtstag, starb, noch selbst erlebt zu haben. Und was Philip Seymour Hoffman da in dem Film "Capote" aus der Titelfigur macht, ist geradezu beängstigend ähnlich. Teilweise verwischte sich für mich Film und Wirklichkeit und ich glaubte, Capote dort oben selbst zu sehen und vor allen Dingen zu hören. Diese einmalig eigenartige Stimme, diese einmalig manierierten Gesten, die Kleidung, das Gefummel mit der Brille, das ganze Benehmen: Philip Seymour Hoffman gebührt für diese Rolle nicht nur der Golden Globe, den er ja bereits erhalten hat, sondern auch der Oscar. Einfach grandios, diese Leistung! Dieses dicke uneingeschränkte Lob muss ich auch an alle weiteren Darsteller geben, an den Regisseur und den Drehbuchautor, und alle anderen, die an diesem vorzüglichen Film "Capote" beteiligt waren.

Fazit
Wenn Sie mal wieder einen rundum gelungenen und intelligenten Filmabend erleben wollen, dann dürfen Sie sich den Film "Capote" auf keinen Fall entgehen lassen. Das ist unterhaltende Filmkunst auf höchstem Niveau.
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 80 %


Land: USA
Jahr: 2004
Laufzeit ca.: 114
Genre: BiografieDramaKrimiLGBT
Verleih: Sony Pictures
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 02.03.2006
Heimkino: 22.08.2006

Regie: Bennett Miller
Drehbuch: Dan Futterman
Literaturvorlage: Gerald Clarke

Schauspieler: Allie Mickelson (Laura Kinney) • Kelci Stephenson (Nancy Clutter) • Philip Seymour Hoffman (Truman Capote) • Craig Archibald (Christopher) • Bronwen Coleman (Barbara) • Kate Shindle (Rose) • David Wilson Barnes (Grayson) • Michael J. Burg (Williams) • Catherine Keener (Nelle Harper Lee) • Kwesi Ameyaw (Porter) • Andrew Farago (Autovermieter) • Ken Krotowich (Guard)

Produktion: Caroline Baron • Michael Ohoven • William Vince
Szenenbild: Jess Gonchor
Kostümbild: Kasia Walicka-Maimone
Maskenbild: Pamela M. Athayde • Aldo Signoretti
Kamera: Adam Kimmel
Musik: Mychael Danna
Schnitt: Christopher Tellefsen

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Bild: Sony Pictures

1 customer review

gut
02.03.06
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