Die Blumen von gestern

Kinoplakat Blumen von gestern

Ein Drama über Erbsünden und Komplexe, die mit der Judenverfolgung des Dritten Reichs in Verbindung gebracht werden.

Komplexe bestimmen das Leben von Totila Blumen (Lars Eidinger). Der Holocaust-Forscher ist ein Experte auf seinem Gebiet. Die Schuldgefühle, die auf ihm lasten, machen ihm das Leben und den Umgang mit anderen Menschen schwer. In seiner Ehe mit Hannah Blumen (Hannah Herzsprung) kann er die Position des Mannes nicht ausfüllen, weil er keine Erektionen bekommt. Die Ehepartner versuchen dies mit einem adoptierten Kind und eigenartigen Absprachen zu überbrücken.

Totilas Toleranzschwelle liegt nahe dem Nullpunkt und in unregelmäßigen Abständen brechen seine unterdrückten Emotionen aus. So neigt er dazu die Beherrschung zu verlieren. Während einer beruflichen Auseinandersetzung schlägt er seinen Kollegen Balthasar Thomas (Jan Josef Liefers) nieder und wird degradiert.
Auch hinsichtlich des Holocausts kennt er keinerlei Spielraum. Weil seine Kollegen den anberaumten Auschwitz-Kongress von Sponsoren finanzieren lassen wollen, sieht er rot. Und zu den Reibereien mit ihnen kommt das Problem, dass man ihm eine französische Praktikantin zur Seite stellt. Zazie (Adèle Haenel) ist nicht besonders helle, impulsiv und trägt ihre Überzeugungen ungefragt vor.

Besonderer Konfliktstoff besteht darin, dass Zazie und Totila Enkel von Menschen sind, die mit dem dritten Reich in Verbindung stehen. Ihre Großmutter war ein Opfer, sein Großvater höchstwahrscheinlich der Täter. Die Zwei versuchen irgendwie miteinander klarzukommen. Was schwerfällt, denn er hält sie für total unterbelichtet, während sie in ihm das Genie sieht, dem sie sich gerne auch körperlich nähern möchte. Zu den persönlichen Querelen kommen berufliche, denn der Kongress droht zu scheitern, weil die Schirmherrin ihre Schirmherrschaft absagt.

Kritik

Der Film "Die Blumen von gestern" führt mir vor Augen, dass wir unsere Probleme nicht umgehen können, denn die Projektion auf was auch immer führt nicht ans Ziel. Wir müssen uns den Dingen stellen. Darauf will der Film nicht hinaus. Auch wenn Ehefrau Hannah das in einer Szene anspricht, sucht Totila nicht nach einem Ausweg, sondern setzt seine Vermeidungsstrategie fort. Das ist schade, denn die Ehe bereichert die Handlung kaum. Mag sein, dass die Impotenz seine Schuldgefühle noch verstärkt. Doch der Konfliktstoff der Ehe liegt brach; und mit ihr die schönen Ansätze, wie die praktische Sichtweise der Ehefrau.

Totila und Zazie könnten beide argumentieren, dass der Konflikt in der Vergangenheit liegt und nicht ihr eigener ist. Sie sind die Enkel von Täter und Opfer. Doch dazu müssten sie erkennen, dass sie ihre eigenen Probleme projizieren. Für Zazies Schuldgefühle kann ich keine Erklärung aus dem Film herauslesen. Während Totilas Schuldgefühle nicht nur in der Vergangenheit wurzeln, sondern auch darin, dass er selbst entweder mit Neonazis sympathisierte oder einer war. Die Handlung trifft dazu nur eine vage Aussage. Fest steht, dass Totila ein Aussteiger ist, der mit seiner Familie brach. Statt den Sinneswandel für sich sprechen zu lassen, geht er in die Schuldgefühle und versucht diese als Märtyrer abzutragen. Das klingt nach einem Fall für eine Therapie. Doch Totila findet keinen Ausweg aus seiner Misere, weil er keinen sucht. Ihm - und damit dem Film - genügt das Aufzeigen.

Da die Rollen kaum Veränderungen zeigen, sondern fest stehend sind, rückt das Schauspiel in den Hintergrund. Ich habe mir während des Sehens Gedanken darüber gemacht, wie ich die Arbeit der Schauspieler einschätze? Ich kann sie nicht einordnen, weil sie zu sehr hinter den Rollen zurückstehen. Die Handlung löst sich nicht vom Papier und es bleibt bei gespielten Regieanweisungen. Es gibt den Märtyrer, die Nervensäge, den Neider, die Verbitterte und so weiter. Diese sehr begrenzten Ausschnitte einer Persönlichkeit stellen alle Darsteller gut dar, ohne Bandbreite zu zeigen.

Die Handlung ist stark kopflastig. Schreckt auch nicht davor zurück, den Zuschauer zu nerven. So spricht Jan Josef Liefers eine Zeitlang mit einer Zahnspange, das heißt er zischt und nuschelt. Mutig ist, dass der amerikanische Völkermord mit dem Dritten Reich vergleichen wird.

Fazit
Mit den Blumen von gestern tut Chris Kraus (Drehbuch und Regie) sich selbst einen größeren Gefallen als dem Zuschauer. Für mich trägt der Film zur Vergangenheitsbewältigung, Aufarbeitung oder Heranführung ans Thema nichts bei.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Land: DeutschlandÖsterreich
Jahr: 2016
Laufzeit ca.: 125
Genre: Drama
Verleih: Piffl Medien
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 12.01.2017
Heimkino: 30.06.2017

Regie: Chris Kraus
Drehbuch: Chris Kraus

Schauspieler: Lars Eidinger (Totila Blumen) • Adèle Haenel (Zazie) • Jan Josef Liefers (Balthasar Thomas) • Hannah Herzsprung (Hannah Blumen) • Sigrid Marquardt (Tara Rubinstein) • Djenabuh Jalloh (Sarah Blumen) • Rolf Hoppe (Professor Norkus) • Bibiane Zeller (Lisbeth Blumen) • Gerdy Zint (Sieghart Blumen) • Cornelius Schwalm (Bächle) • Eva Löbau (Anita Koldewey) • Irene Rindje (Charlene Morgenrot) • Hans-Jochen Wagner (Mauersperger) • Heidi Baratta (Magda) • Elda Sorra (Assistentin)

Produktion: Danny Krausz • Kathrin Lemme
Szenenbild: Silke Buhr
Kostümbild: Gioia Raspé
Maskenbild: Heiko Schmidt • Kerstin Gaecklein
Kamera: Sonja Rom
Ton: André Zacher
Musik: Annette Focks
Schnitt: Brigitta Tauchner

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Bild: Piffl Medien

1 customer review

befriedigend
12.01.17
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