Die fiktive Betrachtung einer real existierenden alternativen Lebensgemeinschaft, die im endenden 19. Jahrhundert nach einer neuen Art zu leben, Gesundheit und Freiheit suchte.
Hanna Leitner leidet unter Asthma. Anders gesehen leidet sie unter der Enge des großbürgerlichen Lebens im Wien des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Ihr Mann ist der festen Überzeugung, dass Hanna froh sein kann über ihren Stand. Sie führt den Haushalt und erzieht die zwei Töchter. Doch genau das sind für Hanna viel zu enge Grenzen. Weil die Ärzte Hannas Asthma und ihre Unfruchtbarkeit nicht heilen können, engagiert ihr Mann Doktor Gross. Der wendet neumodische Methoden und bringt Hanna mit freigeistigen Ideen in Kontakt. Eines Nachts flieht sie nach Monte Verità, wo Gross und andere ein neuartiges Therapiezentrum betreiben. Für Hanna sind die Methoden zunächst schockierend: Vegetarische Kost, viel frische Luft, FKK, freie Liebe und revolutionäre Gedanken sollen die Menschen hier heilen. Trotz anfänglicher Zweifel bleibt Hanna.
Kritik
Im Drama "Monte Verità" treffen reale Figuren wie Otto Gross, Isadora Duncan und Hermann Hesse auf fiktiven Figuren. Ihnen gemein ist die Sinnsuche, die Suche nach dem Selbst. Im Jahr 2021 ist das nichts Besonderes und der Kritiker musste sich vor Augen führen, dass in der Zeit, in der der Film spielt, das Leben in der Gemeinschaft als skandalös galt. Was heute Alternative und Esoteriker sind, waren damals Spinner, die nackt um Feuer tanzen oder in der Sonne baden. Leider gelingt es dem Film nicht gut, diesen Aspekt herauszuarbeiten. Er stellt zwar immer wieder die Enge des bürgerlichen Lebens dem freien Lebensstil gegenüber und Hannas Ehemann droht ihr damit, sie in eine Nervenheilanstalt einweisen zu lassen. Doch wirklich dramatisch wirken diese Szenen nicht.
Es ist enttäuschend, dass nicht einzelne Schicksale im Vordergrund stehen, sondern die Darstellung eines größeren Ganzen. So lässt der Film Chancen ungenutzt. Beispielsweise hält Hannas Ehemann ihr vor, dass Frauen keine Fotografinnen werden können. Hanna beweist das Gegenteil und stellt ihre Bilder sogar öffentlich aus. Der Ehemann bekommt eine Einladung zur Ausstellung – und geht nicht hin.
Statt in die Dramatik geht der Film in schöngeistige Betrachtungen. Zeigt die Idylle der Berglandschaft, plätschert ruhig und gemütlich dahin. Zu oft schaut Maresi Riegner als Hanna Leitner treuherzig in die Kamera und lässt den Zuschauer entscheiden, ob er darin mehr zu erkennen vermag. Wesentlich stärker treten Julia Jentsch als Frauenrechtlerin Ida Hofmann und Hannah Herzsprung als manisch-depressive Lotte Hattemer auf. Zugegeben: Das Drehbuch gibt ihnen stärkere Rollen und setzt insgesamt auf eine viel zu konventionelle Ausgestaltung.
Fazit
Eine kopflastige Betrachtung, welcher das Herz fehlt. Einige vorgestellte Ideen der Bewegung "Monte Verità" sind heute noch aktuell, andere überholt. Zur Selbstfindung braucht es laut Erfarhung des Kritikers mehr als FKK, freie Liebe und Drogen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: Deutschland • Österreich • Schweiz
Jahr: 2021
Laufzeit ca.: 116
Genre: Drama • Historie
Verleih: DCM Film Distribution
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 16.12.2021
Heimkino: 20.05.2022
Regie: Stefan Jäger
Drehbuch: Kornelija Naraks
Schauspieler: Maresi Riegner (Hanna Leitner) • Max Hubacher (Otto Gross) • Julia Jentsch (Ida Hofmann) • Hannah Herzsprung (Lotte Hattemer) • Joel Basman (Hermann Hesse) • Philipp Hauß (Anton Leitner) • Daniel Brasini (Lucio) • Tiana Distefano (Helene Leitner) • Alina Distefano (Marie Leitner) • Eleonora Chiocchini (Isadora Duncan) • Michael Finger (Henri Oedenkoven) • Igor Mamlenkov (Gast)
Produktion: Katrin Renz
Szenenbild: Katharina Wöppermann • Nina Mader
Kostümbild: Veronika Albert
Maskenbild: Helene Lang
Kamera: Daniela Knapp
Ton: Reto Stamm
Musik: Volker Bertelmann
Schnitt: Noemi Preiswerk
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Bild: DCM Film Distribution