Die brillante Mademoiselle Neïla

Kinoplakat Die brillante Mademoiselle Neïla

Das komödiantische Drama aus Frankreich lässt zwei Stachelschweine aufeinander los. Die junge Frau aus der Vorstadt will studieren und aufsteigen. Dabei trifft sie auf einen rassistischen Professor, der aus seiner Abneigung keinen Hehl macht. Zunächst ein herber Dämpfer für beide Seiten und dann eine Chance.

Die Handlung dient als Rahmen, der zwei Menschen zusammenbringt, die einen entscheidenden Mechanismus gemeinsam haben: Abgrenzung durch ein unangenehmes Auftreten. Damit hält Neïla Salah (Camélia Jordana) die Menschen ihres näheren Umfelds auf Distanz. Während bei Pierre Mazard (Daniel Auteuil) unklar bleibt, aus welchem Grund er verbittert ist. Gerade hat er den Bogen überspannt und die Universität droht ihm mit Rausschmiss. Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass er ausgerechnet Neïla fit macht für einen Rhetorik-Wettbewerb. Das würde für die notwendige Ablenkung sorgen. Beide Seiten gehen widerwillig auf den Handel ein. Während die Zusammenarbeit anfangs nur stottert, entwickeln der Professor und die Studentin auf die Dauer Respekt und Verständnis für einander.

Kritik

Eine der Thesen des Films lautet sinngemäß: Drücke Kompliziertes einfach aus. Danach verfuhr auch Regisseur und Drehbuchautor Yvan Attal der laut eigener Aussage das ihm vorlegte Drehbuch entschlackte. Das ist dem Film anzumerken. In einigen Gesichtspunkten im negativen und in anderen im positiven Sinn.

Der Film beginnt ohne Erklärungen und wirft den Zuschauer direkt in die Handlung, die auch die erste Begegnung der Hauptfiguren ist. Während derer steckt der Film die Positionen klar ab. Neïla, eine junge Frau aus der Vorstadt, die der Meinung ist, wegen ihrer Herkunft keine Chance zu haben und der rassistische Universitätsprofessor. Diese Szene ist so geschnitten, als gäbe es von einer Aufnahme nur den Mittelteil zu sehen. Diese Schnitttechnik ist ein Stilmittel des Films. Erstaunlich ist, dass er trotz der Reduktion und des im Kern simplen Aufbaus funktioniert. An einigen Stellen wären etwas mehr Erklärungen wünschenswert. Die Figuren des Films haben keine Lebensgeschichte. Den wenigen Brocken gesprochenem Arabisch fehlen die Untertitel.

Ein Problem der Vereinfachung liegt darin, dass der Film Mazard als Rassisten darstellt, ohne ihn zu verurteilen oder zu bestrafen. Was wahrscheinlich viele Zuschauer erwarten werden. Es kommt gegen Filmende zum Ausschuss, der über Mazards Fall entscheiden soll, doch dessen Entscheidung sehen wir Zuschauer nicht. Dadurch ist der Film angreifbar, denn man kann ihm vorwerfen, den Rassisten ungeschoren davonkommen zu lassen. Eine andere Möglichkeit der Deutung liegt darin zu sagen, dass der Rassismus nicht das Thema des Films ist, sondern eine ungeschickt gewählte Ausgangslage, die zwei Seiten zusammenbringt. Mazards Ablehnung gegenüber alles Fremden und Neuem ist ein Schutzpanzer. Was wiederum die Rollen verbindet, denn auch sie hat sich eingeigelt. Ihre Verteidigung besteht darin, die Herkunft und den sozialen Status vor sich herzutragen. In eine selbstgewählte Opferrolle zu schlüpfen und anzuklagen, in Frankreich keine Zukunft zu haben. Das Filmende beweist das Gegenteil.

Neïla hat von Mazard gelernt. Für das Studium und einige Mechanismen fürs Leben. So nutzt sie ihrem ersten Klienten gegenüber fast die Worte ihres Lehrers. Der ist ein brillanter Redner, ein Provokateur und unerträglicher Zyniker. Seine Worte schneiden scharf wie Messer. Seine Kritik ist im Kern zwar mehrfach nachvollziehbar oder sogar richtig, doch das Sprichwort, dass der Ton die Musik macht, kennt er nicht. Er ist es gewohnt auszuteilen und verwundert, als ihm deshalb Konsequenzen drohen. Für Neïla ein entscheidender Vorteil, dass der Zufall sie zwingt mit Mazard zusammenzuarbeiten. Was als Zweckbündnis beginnt, mündet am Ende in eine Freundschaft, die die zwei neuen Freunde standesgemäß mit einem Beleidigungsduell besiegeln.

Der Humor kommt nur sparsam zum Einsatz. Die Spannweite reicht von leicht bis bitterböse. Manchmal indem sie das Rollenverhalten ihres Lehrers nachahmt. Und es gibt die gespielten Witze. Im Café prangert Mazard die Nutzung und den Umgang mit Smartphones an. Wenige Minuten später nutzt er sein eigenes Telefon, um damit ein Taxi zu rufen. Insgesamt ist der Humor zu sparsam eingesetzt, zumal der Film laut Aussage des Regisseurs eine Komödie sein soll.

Fazit
Den Film in dem Milieu anzusiedeln ist mutig und nicht die beste Wahl, denn das schwierige Umfeld verlangt nach mehr Erklärungen und Tiefgang. Die Konzentration auf das Thema Freundschaft gefällt mir und hätte gerne besser ausgearbeitet werden können. Ebenso sagt mir das Experimentelle zu. Die Stilisierung wie Dialoglast und die Inszenierung als Kammerspiel machen den Film sehr speziell.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 70 %


Original Filmtitel: Le Brio
Land: Frankreich
Jahr: 2017
Laufzeit ca.: 97
Genre: DramaKomödie
Verleih: Universum Film
FSK-Freigabe ab: 0 Jahren

Kinostart: 14.06.2018
Heimkino: 26.10.2018

Regie: Yvan Attal
Drehbuch: Yvan Attal • Victor Saint-Macary • Yaël Langmann • Noé Debre • Bryan Marciano

Schauspieler: Daniel Auteuil (Pierre Mazard) • Camélia Jordana (Neïla Salah) • Yasin Houicha (Mounir) • Nozha Khouadra (Mutter) • Nicolas Vaude (Grégoire Viviani) • Jean-Baptiste Lafarge (Benjamin de Segonzac) • Virgil Leclaire (Keufran) • Zohra Benali (Großmutter) • Damien Zanoli (Jean Proutot) • Jean-Philippe Puymartin (Präsident des Wettbewerbs) • Eddy Suiveng (Kind) • Abderahmane Cherif (Kind)

Produktion: Dimitri Rassam • Benjamin Elalouf
Szenenbild: Michèle Abbe
Kostümbild: Carine Sarfati
Maskenbild: Hugues Lavau
Kamera: Rémy Chevrin
Ton: Pierre André • Thomas Desjonquerès • Jean-Paul Hurier
Musik: Michael Brook
Schnitt: Célia Lafitedupont

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Bild: Universum Film

1 customer review

gut
01.06.18
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