Im Kostümfilm wird eine Zeitreise in die Pariser Kunstszene vor 1900 unternommen. Klassisch in Ansinnen und Thema arbeitet Cédric Klapisch einen Standard ab.
Für den Bau eines neuen Supermarktes muss ein letztes Grundstück erworben werden, auf dem ein verlassenes Haus steht. Seit Jahrzehnten ist es nicht mehr bewohnt worden und die Erbengemeinschaft ist überrascht, denn gleich dreißig Personen können laut Nachforschungen der Erblasserin zugeordnet werden. Vier von ihnen werden aktiv und erkunden das Haus. Dabei stoßen sie auf persönliche Gegenstände, Fotos und Gemälde. Das weckt das Interesse an der Vergangenheit und das Lesen alter Briefe lässt die damalige Zeit wiederauferstehen. Im Jahr 1895 ist Adèle auf der Suche nach ihrer Mutter, die sie im Alter von einem Jahr weggegeben hat. Der einzige Anhaltspunkt ist die Adresse eines Notars in Paris. Dort bekommt Adèle einen Tipp und findet ihre Mutter. Das erste Treffen ist eine Ernüchterung. Adèle beschließt, in Paris zu bleiben, und lernt dort die Künstlerszene kennen.
Kritik
Drehbuchautor und Regisseur Cédric Klapisch hegte schon länger den Wunsch, einen historischen Kostümfilm zu drehen, der in Paris vor dem Jahr 1900 spielt und der die "Verbindung zwischen Malerei und Fotografie" thematisiert. Diese Aspekte sind gelungen. Nach klassischem Muster verlässt Adèle die gewohnte Umgebung und lernt Künstler kennen. Der Brückenschlag zur Gegenwart besteht darin, dass eine Erbengemeinschaft Adèles Leben erforscht. Vier der Erben besuchen das Haus, katalogisieren das Erbe. Den Schlüssel zur Geschichte der Erblasserin bilden Briefe, die Adèle geschrieben hat oder empfangen hat.
Die Handlung springt zwischen den Zeiten und Handlungssträngen. Wobei auch Orte als Schnittpunkte dienen. Erst geht Adèle eine Treppe hinab, nach einem Schnitt ein Jogger. In gelungenen Momenten ist dies sehenswert; oft genug jedoch eine Spielerei, die den ruhigen Erzählfluss mindert. Die Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit fallen dünn aus. Das Lokalkolorit des Rückblicks ist sehenswert, die Kleider der Frauen gefallen.
Viele Figuren werden eingeführt und leider nicht vertieft. Das Mutter-Tochter-Drama ist im Ansatz gut gedacht. Es ist Adèles Antrieb, die Reise anzutreten. Davon abgesehen zeigt es ein Element, welches in einem historischen beziehungsweise Künstlerfilm wohl zwangsläufig vorkommen muss. In diesen Momenten punktet der Film, weil ein Gesichtspunkt mehrfachen Nutzen transportiert.
Enttäuschend ist, dass der Film wenig Interesse an der Erforschung seiner Figuren hat und alle Charaktere oberflächlich bleiben. Zum Beispiel findet zwischen den vier forschenden Erben wenig Interaktion statt, wenngleich sie dies anbieten. Ein Imker, ein Lehrer, ein Fotograf und eine Geschäftsfrau müssen miteinander agieren. Was erstaunlich glatt verläuft. Kleine Reibereien hätten der Handlung mehr Facetten verliehen.
Im historischen Handlungsstrang streiten zwei Freunde darüber, ob die Fotografie oder die Malerei zu bevorzugen ist. Leider bleiben auch diese Persönlichkeiten oberflächlich. Selbiges gilt für das Mutter-Tochter-Dama, das mit der Welt der Künste in Beziehung steht.
Was nicht heißt, dass der Film keine Kritik übt. So sagt der Rentner sinngemäß, dass der französische Staat die Menschen ausbeutet. Auch moderne Medien kommen nicht ungeschoren davon. Laut Klapisch ist es bedauerlich, dass heutzutage alle knipsen und die Kunst, ein Foto zu inszenieren, zu wenig Beachtung findet.
Störend ist die Austarierung, der eine klare Gewichtung fehlt, die aufzeigt, wo der Schwerpunkt liegt.
Fazit
Das Drama "Die Farben der Zeit" verschenkt Potenzial. Die Lauflänge von mehr als zwei Stunden trägt die Handlung leider nicht. Die Schauspielerinnen und Schauspieler mimen nett. An Kunst interessiertes Publikum im vorgerückten Alter wird angesprochen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %
Land: Frankreich
Jahr: 2025
Laufzeit ca.: 125
Genre: Drama • Kostüm
Verleih: Studiocanal
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 14.08.2025
Regie: Cédric Klapisch
Drehbuch: Santiago Amigorena • Cédric Klapisch
Schauspieler: Suzanne Lindon (Adèle Meunier) • Abraham Wapler (Seb /Claude Monet) • Vincent Macaigne (Guy) • Julia Piaton (Céline) • Zinedine Soualem (Abdelkrim) • Paul Kircher (Anatole) • Vassili Schneider (Lucien) • Sara Giraudeau (Odette Vermillard) • Cécile de France (Calixte de La Ferrière) • Olivier Gourmet (Claude Monet) • Pomme (Fleur) • Fred Testot (Félix Nadar)
Produktion: Cédric Klapisch • Bruno Levy
Szenenbild: Marie Cheminal
Kostümbild: Pierre-Yves Gayraud
Maskenbild: Aude Cogrel • Isabelle Goulliart • Jane Milon • Aure-Anne Tholance
Kamera: Alexis Kavyrchine
Musik: Robin Coudert
Schnitt: Anne-Sophie Bion
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Bild: Studiocanal