Hin und wieder gelingt es den Filmstudios sehr gut Themen zu entstauben und neu zu interpretieren. So gesehen hätte ich mich auch über einen neuen und dabei klassischen Sherlock Holmes gefreut. Unter der Regie von Guy Ritchie wird aus dem bekannten Detektiv eine eigenwillige Mischung aus Genie, Raufbold und Drogensüchtigem. Bei der Handlung liegt der Schwerpunkt weniger auf den klassischen Themen wie Beobachtung und Kombinationsgabe als vielmehr auf Action.
Der Film beginnt temporeich. Sherlock Holmes und Doktor Watson können im letzten Moment eine schwarze Messe verhindern, die der finstere Lord Blackwood (Mark Strong) zelebriert. Der lässt sich erstaunlich bereitwillig festnehmen, wohl wissend, dass ihn der Galgen erwartet. Kurz vor der Hinrichtung bittet er um ein letztes Gespräch mit Holmes und kündigt dabei so unheilvolle wie unverständliche Dinge an.
Wenige Tage nach Vollstreckung der Todesstrafe und dem Begräbnis wird der Zugang zu Blackwoods Gruft gesprengt und der Tote weilt wieder unter den Lebenden. Das verbreitet im viktorianischen London Angst und Schrecken, denn anscheinend ist der Schwarzmagier Blackwood mit dem Teufel im Bunde. Zweifelsohne ist er durch die Überwindung des Todes im Ansehen gestärkt und übernimmt die Herrschaft über einen alten Geheimbund. Als dessen neues Oberhaupt strebt er nicht weniger als die Weltherrschaft an. Ein teuflischer Plan - den nur einer durchkreuzen kann: Sherlock Holmes.
Kritik
Eines muss man Regisseur Guy Ritchie lassen: Er versteht es schelmisch spitzbübische Filme zu machen. So setzt er als Stilmittel beispielsweise Vor- und Rückblenden ein. In der Vorschau erklärt Holmes dem Zuschauer, wie er einen Gegner zu Brei schlagen wird und handelt dann entsprechend. In den Rückblenden, die an eine bekannte, amerikanische Krimiserie erinnern, rollt der Film bereits Geschehens noch einmal auf. Das ist in der Kombination eine interessante Mischung, weil die Handlung mal vorwärts und mal rückwärts läuft. Insgesamt ist das Konzept von "Sherlock Holmes" stimmig - auch wenn es mit einem klassischen Detektivfilm wenig gemein hat. Der bekannte Ermittler nutzt seinen brillanten Verstand hauptsächlich um Gegner in Faustkämpfen niederzuschlagen; erst am Ende ist Holmes der klassische Detektiv, der die Geschehnisse noch einmal Revue passieren lässt und dabei die letzten Unklarheiten aufdeckt; was nicht zuletzt an Auftritte von Hercules Poirot erinnert.
Bis zur finalen Auflösung bietet die Story keinen Fall zum Mitraten, denn entscheidende Fakten bleiben dem Zuschauer vorenthalten und die Action muss den Film tragen. Dementsprechend spart die Handlung nicht mit Schlägereien, Verfolgungsjagden und Explosionen. Selbst die noch im Bau befindliche Towerbridge dient als Kulisse für einen Kampf. Das ist weit gehend - jedoch nicht durchgängig gelungen - und die Story fällt in das eine oder andere Spannungstief. Durchgängig gelungen ist das Zusammenspiel der zwei Hauptdarsteller: Robert Downey Jr. und Jude Law werfen einander die Bälle zu, agieren wie ein eingespieltes Team. Weiterhin können die Sets, also die Drehorte gefallen, die ein düsteres, dreckiges viktorianisches London auferstehen lassen. So weit ist das Konzept im Großen und Ganzen stimmig.
Doch dann gibt es da noch die Umstände, die schwerlich ins Bild passen. Mit den Kostümen und den Umgebungen harmoniert das Auftreten einiger Personen nicht. Holmes und Watson etwa agieren abwechselnd wie viktorianische Briten und wie Menschen der Jetztzeit. Mark Strong als Lord Blackwood erinnert zunächst an einen Tyrannen; bleibt als fieser Schurke allerdings derartig blass, dass ich enttäuscht bin.
Störend empfinde ich wie weit sich die Figuren von den Kurzgeschichten und Romanen entfernen. Gut, auf Pfeife und Lupe kann ich verzichten. Für mich geht auch die Überzeichnung der Vorlage in Ordnung: Holmes und Watson sind latent homosexuell und der Detektiv ist ein Junkie. Aber dass der Film "Sherlock Holmes" heißt, obwohl er mit den Vorlagen nur noch die Rahmenbedingungen gemein hat, stört mich, denn von einem Film mit diesem Titel erwarte ich eine Detektivgeschichte zum Mitraten und nicht einen Actionfilm.
Fazit
Es ist schon einige Jahre her, dass ich die Bücher von Arthur Conan Doyle gelesen habe. Doch so wie Guy Ritchie habe ich mir die Szenerie nie vorgestellt. Und ich frage mich: Warum ist nicht drin was draufsteht?
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Jahr: 2009
Laufzeit ca.: 128
Genre: Abenteuer • Action • Krimi • Mystery • Thriller
Verleih: Warner Bros.
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 28.01.2010
Heimkino: 28.05.2010
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: Michael Robert Johnson • Anthony Peckham • Simon Kinberg • Lionel Wigram
Literaturvorlage: Arthur Conan Doyle
Schauspieler: Robert Downey Jr. (Sherlock Holmes) • Jude Law (Dr. John Watson) • Rachel McAdams (Irene Adler) • Mark Strong (Lord Blackwood) • Eddie Marsan (Inspector Lestrade) • Robert Maillet (Dredger) • Geraldine James (Mrs. Hudson) • Kelly Reilly (Mary Morstan) • William Houston (Constable Clark) • Hans Matheson (Lord Coward) • James Fox (Sir Thomas Rotheram) • William Hope (Botschafter Standish) • Clive Russell (Captain Tanner)
Produktion: Susan Downey • Dan Lin • Joel Silver • Lionel Wigram
Szenenbild: Sarah Greenwood
Kostümbild: Jenny Beavan
Maskenbild: Christine Blundell
Kamera: Philippe Rousselot
Musik: Hans Zimmer
Schnitt: James Herbert
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Bild: Warner Bros.