Überleben in Neukölln

Kinoplakat Überleben in Neukölln

Rosa von Praunheim hat für seinen Dokumentarfilm über den Berliner Stadtteil Neukölln den Fokus überwiegend auf die schwule, lesbische und transsexuelle Szene gelegt. Das verleiht dem Film seine Besonderheit und ist auf die Dauer betrachtet eine Schwäche.

Den Löwenanteil der Laufzeit bestreitet der Travestiekünstler Juwelia, der aus seinem Leben plaudert und mal im Vordergrund mal aus dem Hintergrund Chansons radebrecht. Zwischenzeitlich wandert die Kamera zu weiteren Kleinkünstlern und Menschen des Viertels und lässt diese erzählen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Von Praunheim kommt dabei nur fallweise ins Bild und stellt auch keine bohrenden Fragen. Vielmehr lenkt der Filmemacher die Interviews nur oberflächlich und die Erzählungen der Protagonisten transportieren wenig, was für die Allgemeinheit von Interesse ist.

Da sitzt eine fast neunzig Jahre alte lesbische Frau auf ihrem Sofa und erzählt vom Zerbrechen ihrer jahrzehntelangen Beziehung. An dieser Stelle hakt von Praunheim nicht nach, obwohl es interessant wäre zu erfahren, wie eine solche Beziehung innerhalb eines Augenblicks enden kann. Dasselbe gilt für die restlichen Plaudereien. Es bleibt bei oberflächlichen Beiträgen, bei denen manche Sätze in die Tiefe gehen. Da wird von der Gentrifizierung gesprochen, aber das Thema nicht verfolgt. Ein Mann gibt an, dass er fallweise angepöbelt wird, weil er im Kleid auf die Straße geht. So heile, wie von Praunheim die Welt schildert, scheint sie doch nicht zu sein. Doch auch in diesem Fall bleibt es bei Andeutungen.
Einige Interviews grenzen an Füllmaterial. Eine Frau berichtet davon, dass sie versucht in Berlin als Künstlerin Fuß zu fassen, was leichter sei als in anderen Städten. Weil sie von ihrer Kunst nicht leben kann, arbeitet sie tagesweise in einer gay Bar. Mehr ist nicht zu erfahren. Eine aus Syrien geflohene lesbische Frau schildert kurz erlebte Gewalt in ihrer Heimat und strapaziert anschließend das Gehör des Zuschauers, indem sie vor laufender Kamera eine Kostprobe ihres mangelnden Gesangstalents zum Besten gibt.

Fazit
Was Rosa von Praunheim als Dokumentarfilm vorstellt, ist Kleinkunst über Kleinkunst. Es ist verständlich, dass er bestimmte Facetten herausgreift und gleichzeitig ein zu enger Blickwinkel. Es ist schlussendlich nicht auszumachen, ob Neukölln so tolerant, weltoffen und bunt ist, wie der Film es schildert, oder ob der Filmemacher dies nur so sehen möchte. Um Missverständnisse zu vermeiden. Der Kritiker spricht Kleinkunst die Existenzberichtigung nicht ab; die Kritik liegt auf den handwerklichen Schwächen der Dokumentation.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 40 %


Land: Deutschland
Jahr: 2017
Laufzeit ca.: 82
Genre: DokumentarfilmLGBT
Verleih: missingFILMs
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 23.11.2017
Heimkino: 03.08.2018

Regie: Rosa von Praunheim • Markus Tiarks
Drehbuch: Rosa von Praunheim

Schauspieler: Juwelia • José Promis • Kandis Williams • Rixdorfer Perlen • Wilfriede Richter • Markus Tiarks • Mischa Badasyan • Lothar Wiese • Joaquin La Habana • Siboney La Habana • Bernhard Beutler • Dani Alor • Ala • Zaitonnah • Aydin Akin • Marcel Weber • LCavaliero Mann • Patsy l'Amour laLove • Enana Alassar

Produktion: Rosa von Praunheim
Kamera: Elfi Mikesch • Thomas Ladenburger • Markus Tiarks • Oliver Sechting
Ton: Thomas Ladenburger • Markus Tiarks • Oliver Sechting
Musik: Juwelia • José Promis • Andreas Wolter • Nova fliegt zum Mond • Felix Raffel • Chor der Geflüchteten • Joaquin la Habana • Feierabend Poetic Cumbia • Inanna Alassar
Schnitt: Mike Shephard

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Bild: missingFILMs

1 customer review

ausreichend
23.11.17
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