Wie wilde Tiere

Kinoplakat Wie wilde Tiere

Die Franzosen Olga und Antoine wollen in einem spanischen Dorf Gutes tun. Die Spanier halten das Vorhaben nicht für das Richtige und es kommt zum Konflikt. Beide Seiten haben recht und sind in ihren Ansichten unvereinbar.

Der Franzose Antoine ist mit seiner Frau Olga in ein spanisches Bergdorf gezogen, um dort seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Er beabsichtigt, als Biobauer zu leben und renoviert in seiner freien Zeit alte Hütten, damit das Dorf wieder belebt wird. Den ansässigen Bauern ist Antoine ein Dorn im Auge, weil er erst seit wenigen Jahren hier lebt und seine Stimme bei einer entscheidenden Abstimmung genauso viel Gewicht hat, wie die der Bauern, die ihr ganzes Leben im Dorf verbracht haben. Vom in Aussicht gestellten Geld, hoffen sie ein besseres Leben führen zu können. Der Ausländer und Verweigerer Antoine wird für die Bauern zum Sündenbock, während Antoine selbst sich zum Märtyrer macht. Seine Frau Olga steht im Konflikt zunächst abseits.

Kritik

Das Drama "Wie wilde Tiere" behandelt einen klassischen Konflikt. Ein Mann wird zur Zielscheibe und seine Gegner überhören die Stimme der Vernunft. Die Fronten sind verhärtet und die Eskalation ist eine Frage der Zeit. Die Bildsprache ist sehenswert. Die Gegend und das Leben der Menschen sind gleichermaßen karg. Es ist förmlich spürbar, dass die Bauern der Erde die Ernte abringen müssen. Die oft langen Szenen und Kameraeinstellungen übertragen die quälende Situation auf das Publikum. Das stuft der Kritiker als gelungen ein.
Weniger gefällig ist die gleichbleibende Dramaturgie. Die Ausarbeitung empfindet der Kritiker als nicht gelungen. Der Film legt viel Wert auf die Darstellung des Dorflebens und der Strukturen. Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen bereit sind, das sterbende Dorf aufzugeben. Indes fehlt die Darstellung dessen, wofür das Paar kämpft. Das Paar lebt erst seit zwei Jahren dort und hat sich bisher nicht viel aufgebaut. Vielleicht würde es bei einem Verkauf mehr für das Land bekommen, als es gezahlt hat. Die Zahlen zu betrachten, würde Klarheit schaffen. Der Kritiker sieht ein, dass der Film so nicht mehr funktionierte. Das Gezeigte wiederum packt ihn nicht.

Zudem fehlt es der Darstellung an Glaubwürdigkeit. Das kleine Stück Land, dass die Eheleute beackern, ist nur wenig größer als ein Garten und würde kaum zur Selbstversorgung ausreichen. Es erstaunt, wie die zwei es schaffen, dem Boden derartige Erträge abzuringen, dass die auf dem Wochenmarkt verkauft werden können. Die Bauern der Nachbarschaft scheinen tagaus tagein nur den Kuhstall auszumisten.
Nicht überzeugend ist die Gewichtung. In einer der ersten Szenen diskutieren Männer minutenlang in der Kneipe. Der besprochene Fall scheint der Gegenstand des Films zu sein. Mitnichten. Er dient dazu, in die Atmosphäre einzuführen. Was gut gelingt. Der lange debattierte Fall spielt anschließend keine Rolle mehr.
Antoines kleine Handkamera wird eingeführt, hochstilisiert und filmt den entscheidenden Moment. Es dauert dann mehr als ein Jahr, bis Olga die Kamera findet. Dann ist die Speicherkarte defekt und der Effekt verpufft. Selbst der alles auslösende Konflikt bleibt am Ende ohne Auflösung. Wird verkauft und gebaut? Hat sich die Tat gelohnt?

Die Zeichnung der Figuren ist eigenartig. Antoine soll ein Gelehrter sein, der die Welt bereist hat. Das spielt Denis Ménochet jedoch nicht, denn dafür tritt er zu schlicht auf. Denis Ménochet gefällt sich in der Rolle des Märtyrers; dem Kritiker sagt sein Spiel nicht zu. Die anderen Schauspieler überzeugen in ihrer Darstellung der einfachen Charaktere. Wobei es an Bandbreite mangelt. Zu einer (denkbaren) Charakterstudie schwingt sich die Handlung in keinem Fall auf. Eigenartig am Drehbuch: Es beschreibt die Dörfler als Menschen mit beschränktem Geist. Trotzdem zeigt einer im entscheidenden Zwiegespräch plötzlich Geistesschärfe. Das setzt einen dramatischen Höhepunkt und es ist ein Stilbruch, weil der Mann davor und danach ein tumber Streithahn ist. Wäre er so verständig, wie er es für Minuten ist, dann wäre er wohl auch in der Lage, Antoines Argumente zumindest in Betracht zu ziehen. Die Erklärung für die Aggression der Einheimischen findet der Kritiker nachvollziehbar und nicht ganz schlüssig.
Die Gewichtung der Rollen überrascht. Marina Foïs ist gefühlt mehr als die Hälfte des Dramas eine Nebenrolle und wird dann zur Hauptrolle. Wobei auffällt, dass der Ausklang des Dramas zu lang ausfällt. Plötzlich wird die Ehe infrage gestellt und es wird ein Mutter-Tochter-Konflikt angerissen, der die Handlung nicht bereichert.
Erst nach dem Lesen des Presseheftes konnte der Kritiker diese und weitere Szenen einordnen. Die Darstellung des Mutter-Tochter-Konflikts soll aufzeigen, dass Frauen Konflikte anders angehen und lösen als Männer. Wohl wahr. Aber in welchem Zusammenhang steht das mit dem Film? Eine geraume Zeit ist die Ehefrau eine Nebenrolle, um dann im Ausklang des Ganzen zur Hauptrolle zu werden.
Ähnliches betrifft die visuell eindrucksvolle Eröffnungssequenz des Films. Die zeigt Männer, die Wildpferde einfangen und niederringen. Das Kräftemessen dient einem guten Zweck: Den Wildpferden werden die Mähnen geschnitten, damit diese einen Teil der Parasiten verlieren. Anschließend werden die Pferde von den Dörflern wieder freigelassen. Der Film erklärt dieses Ritual nicht oder der Kritiker hat es nicht verstanden. Er hat versucht, das Niederringen in Bezug zur Situation der Menschen zu setzen – was eine mögliche Deutung ist. In den Ohren des Kritikers klingt die Filmmusik unangenehm überzogen.

Fazit
Dem Kritiker gefällt die Bildsprache, der Stil ist stimmig. Die Darstellung der dörflichen Strukturen erinnert ihn an seine Kindheit auf dem Dorf. Er findet die Umsetzung einerseits gelungen, andererseits bietet sie nichts, was er nicht bereits kannte. Bei der Ausarbeitung des Konflikts fehlt ihm das klare Gegenargument. Die Laufzeit von fast 140 Minuten ist mutig.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Original Filmtitel: As Bestas
Land: FrankreichSpanien
Jahr: 2022
Laufzeit ca.: 139
Genre: DramaKrimi

Verleih: Prokino
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 07.12.2023

Regie: Rodrigo Sorogoyen
Drehbuch: Isabel Peña • Rodrigo Sorogoyen

Schauspieler: Marina Foïs (Olga) • Denis Ménochet (Antoine) • Luis Zahera (Xan) • Diego Anido (Lorenzo) • Marie Colomb (Marie) • Luisa Merelas (Madre Anta) • José Manuel Fernández Blanco (Pepiño) • Federico Pérez Rey (Mariano) • Javier Varela (Xosé) • David Menéndez (Alfonso) • Xavier Estévez (Sargento Espín) • Gonzalo García (Breixo)

Produktion: Ibon Cormenzana • Ignasi Estapé • Sandra Tapia Díaz • Eduardo Villanueva • Nacho Lavilla • Rodrigo Sorogoyen • Jean Labadie • Anne-Marie Labadie • Thomas Pibarot
Szenenbild: Jose Tirado
Kostümbild: Paola Torres
Maskenbild: Irene Pedrosa • Jesús Gil
Kamera: Alejandro de Pablo
Musik: Oliver Arson
Schnitt: Alberto del Campo

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Bild: Prokino

1 customer review

Befriedigend
06.12.23
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