Der Auftrag klingt zu schön, um wahr zu sein. Für die Entführung eines zwölf Jahre alten Teenagers soll ein zusammengewürfeltes Team eine stattliche Summe erhalten. Alles läuft anfangs nach Plan, doch dann wachsen die Zweifel am Auftrag. Und nicht nur das. Das Opfer ist keines.
Kritik
Den Trailer anzuschauen ist im Fall von "Abigail" keine gute Idee, weil der bereits zu viel vom Plot verrät: Die kleine unschuldige Balletttänzerin ist keine und es ist keine Überraschung, wenn Abigail nicht das Opfer, sondern die Jägerin ist. Die hat sechs Opfer in ein altes Herrenhaus gelockt und lässt eines nach dem anderen sterben. Das erinnert entfernt an Agatha Christies "Und dann gabs keines mehr", von dem ein Exemplar in der Bibliothek des Hauses steht. Ein witziger Einfall, der jedoch wie so viele Ideen darunter leidet, dass er zu plump eingeflochten ist. Apropos: Plump ist der Ausdruck, der viele Mankos des Horrorfilmes beschreibt.
Das beginnt bei den Figuren, bei denen im Groben die Charaktere der Kleidung entsprechen. Anstatt dem Publikum durch das Verhalten der Figuren oder Einflechtungen die Charaktere vorzustellen, werden sie im Klartext charakterisiert. Man sagt sich ins Gesicht, was man übereinander denkt. Das nimmt der Gruppendynamik Chancen, denn es gibt nichts mehr aufzudecken. Weiterhin stehen die Hintergrundgeschichten in so gut wie keinem Bezug zur Handlung. Das tut dem Gesamteindruck kaum einen Abbruch, weil die Menschen nicht interessieren. Leider berühren die Tode von belanglosen Figuren nicht.
Aber erwartet das der Film? Der Kritiker kann die Frage nicht beantworten. Vielleicht ist das Drehbuch nicht so ausgearbeitet worden wie angedacht. Vielleicht auch nicht. Es fällt auf, wie viele Umstände einfach gelöst sind. Die Hackerin schaut auf die wahrscheinlich mechatronischen Barrikaden des Hauses und schlussfolgert, dass nur der Strom abgeschaltet werden muss, um die Barrieren zu lösen. Wie kann sie sicher sein, nach bloßem Hinschauen? Eine durchdachte Verriegelung hält einem Stromausfall wohl stand. Letztlich ist das auch nicht der Weg nach draußen, sondern die Begründung für eine sinnlose Suchaktion. Weiterhin ist nicht eindeutig zu erkennen, ob die Handlung ernst gemeint ist oder eine Parodie. Einige Szenen sind so überzogen, dass sie zur Parodie werden. Dann wieder versucht der Film, etwa durch das Ansprechen von Familienstrukturen, ernsthaft Mitgefühl zu erzeugen.
Spannung kommt nur selten auf. Vielmehr verwundert es, wie einfältig die Menschen vorgehen. Es wird beschlossen, dass ein Mann die erste Wache übernimmt. Dazu sieht er aus einem Fenster. Das Haus hat jedoch vier Seiten. Was also, wenn jemand von den drei anderen Seiten angreift? Agieren so Menschen, die bei der Polizei oder in der Armee waren? Ähnlich plump ist der Umstand, dass es in dem alten Herrenhaus Elektrizität gibt. Einige Räume haben Leuchten. Gänge sind jedoch schlecht oder gar nicht beleuchtet und Taschenlampen kommen zum Einsatz, anstatt das Licht einzuschalten. Es enttäuscht, dass der Film Vorgänge im Klartext ausspricht. Nachdem die Vampirin das erste Mal in Erscheinung getreten ist, sagt jemand sinngemäß, dass die Gruppe einen Vampir entführt hat.
Die Horror-Szenen entsprechen dem Standard. Kontaktlinsen und alberne falsche Zähne kommen zum Einsatz. Die Schnitte sind schnell und am Ende überlebt die Person, auf die wahrscheinlich die meisten von uns getippt haben.
Fazit
Das Filmplakat verspricht einen originellen Plot, den der Film nicht bietet. Leider bereichert er das Genre nicht und mixt stattdessen bekannte Versatzstücke wie Vampirismus, ein altes Herrenhaus sowie ein Katz-und-Mausspiel.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 40 %
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 110
Genre: Horror • Vampire
Verleih: Universal Pictures International
FSK-Freigabe ab: 16 Jahren
Kinostart: 18.04.2024
Regie: Matt Bettinelli-Olpin • Tyler Gillett
Drehbuch: Stephen Shields • Guy Busick
Schauspieler: Melissa Barrera (Joey) • Dan Stevens (Frank) • Alisha Weir (Abigail) • William Catlett (Rickles) • Kathryn Newton (Sammy) • Kevin Durand (Peter) • Angus Cloud (Dean) • Giancarlo Esposito (Lambert) • Matthew Goode (Vater)
Produktion: Paul Neinstein • William Sherak • James Vanderbilt • Chad Villella • Tripp Vinson
Szenenbild: Susie Cullen
Kostümbild: Gwen Jeffares Hourie
Maskenbild: Marc Ballance • Liz Byrne • Linda Gannon • Aimee Plant • Hannah Sullivan
Kamera: Aaron Morton
Musik: Brian Tyler
Schnitt: Michael P. Shawver
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