Den Austausch zu suchen und ihn nicht zu schaffen ist das übergreifende Thema des Films. Vier Generationen misslingt die Kommunikation. Ob es eine Familienstruktur ist oder ein Kunstgriff bleibt offen. Den Zuschauer stört das wahrscheinlich wenig.
Das Wetter ist in Gesprächen oft ein Notnagel. Es wird übers Wetter geredet, das einen belanglos unverfänglichen Austausch ermöglicht. Ähnlich ergeht es den Menschen im Drama. Hauptdarstellerin Clara hat den Sprung geschafft und die Provinz verlassen. Damit nimmt sie im Dorf, in das sie anlässlich des Geburtstags ihrer Mutter zurückkehrt, eine Außenseiterrolle ein. Sie ist die Studierte, eine, die nicht mehr versteht, was den Menschen auf dem Land auf der Seele liegt. Die Dorfbewohner sind etwa unzufrieden mit der Bürokratie. Claras Jugendliebe Max hat mit dreißig alles im Leben erreicht, was er erreichen wollte. Und nun fehlen ihm die Träume.
Clara wiederum weiß, dass sie ihr nächstes Ziel die Doktorarbeit ist. Viel mehr erfährt das Publikum über Clara nicht. Sie hat eine Affäre mit einem Studenten, den sie auf Distanz hält. Er will mehr und sie nicht. Den Grund dafür verrät Clara nicht. Sie kann sich nur bedingt mitteilen – wie alle Figuren des Films. Selbst Claras Großeltern reden aneinander vorbei. Die Studierte und die Arbeiter ebenfalls. Zu Hause in der kleinen Wohnung bei Muttern wirft Clara der Mutter vor, dass die nicht stolz sei auf ihre Tochter. Die verneint das und fragt, wer als Erste ins Bad geht. Clara wirft der Mutter den Mechanismus vor und praktiziert ihn selbst. Sie klärt weder das Verhältnis zu ihrem Liebhaber noch das zur Tochter oder zu den Mitbewohnern der Wohngemeinschaft. Das ist realistisch beobachtet. Viele Kinder werfen ihren Eltern Muster vor, die sie selbst leben.
Auch die Szenarien sind gut abgeschaut und naturalistisch gespielt. Das Problem ist nur, dass die Figuren nicht in Austausch miteinander treten und jede im abgegrenzten Raum spielt. Konflikte werden nicht ausgetragen. Daraus Spannung zu ziehen, ist ein schwieriges Unterfangen, was dem Film misslingt. Er bietet keine Entwicklung und setzt keinen dramaturgischen Höhepunkt. Den Kritiker erinnert das Drama an "45 Years" und "Das Mädchen mit den goldenen Händen".
Die Verbindung zwischen Gesellschaftskritik und privaten Problemen ist der, dass die Kommunikation misslingt. Menschen zu beobachten, wie sie gezielt aneinander vorbeireden, empfindet der Kritiker als zweckfrei. Er schätzt Dramen, die die W-Fragen beantworten, ihre Figuren ausleuchten und eine Weiterentwicklung aufzeigen. All das bietet "Alle reden übers Wetter" nicht.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 40 %
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Laufzeit ca.: 89
Genre: Drama
Verleih: Grandfilm
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 15.09.2022
Regie: Annika Pinske
Drehbuch: Annika Pinske • Johannes Flachmeyer
Schauspieler: Anne Schäfer (Clara) • Judith Hofmann (Margot) • Marcel Kohler (Max) • Anne-Kathrin Gummich (Inge) • Max Riemelt (Marcel) • Emma Frieda Brüggler (Emma) • Sandra Hüller (Hanna) • Alireza Bayram (Faraz) • Christine Schorn (Charlotte) • Hermann Beyer (Hans) • Ronald Zehrfeld (Roland)
Produktion: Luise Hauschild • Annika Pinske
Szenenbild: Romy Springsguth
Kostümbild: Svenja Gassen
Maskenbild: Julia Thar
Kamera: Ben Bernhard
Ton: Matthias Rupp
Schnitt: Laura Lauzemis
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Bild: Grandfilm