Anderland

Kinoplakat Anderland

Mitten in einer Einöde hält ein Bus und entlässt Andreas in sein neues Leben. Er wird in eine Stadt gebracht, in der alles nett und sauber und freundlich ist. Andreas bekommt einen netten Job, eine nette Wohnung, eine nette Freundin - aber bald bemerkt er, dass ihm etwas fehlt: Es gibt keinen Geschmack, keine Düfte, keine Emotionen. Andreas will aus dieser Sterilität fliehen - aber das scheint unmöglich.

Der Film "Anderland" ist der zweite Spielfilm des norwegischen Regisseurs Jens Lien, der für seinen Debüt-Film "Johnny Vang" und seine diversen Kurzfilme mehrfach preisgekrönt wurde. Allein sitzt Andreas (verwirrt: der Norweger Trond Fausa Aurvåg) in einem alten Bus, der durch eine Einöde rattert. Vor einer einsamen Tankstelle spukt ihn der Bus aus und der Tankstellenbesitzer bringt Andreas in seinem klapprigen Wagen in eine Stadt. Der ungefähr vierzigjährige Andreas hat keine Ahnung, wie er in den Bus gekommen ist und warum er jetzt in dieser fremden Stadt steht. Er wird aufgefordert, ein Bürohaus zu betreten. Dort begrüßen ihn eine Menge freundlicher Menschen, die nur auf ihn gewartet zu haben scheinen. Andreas bekommt sofort einen Job als Buchhalter und ein kleines Büro. Außerdem wird ihm die Adresse seiner Wohnung mitgeteilt: eine unpersönliche Bleibe mit dem Charme eines Hotelzimmers. Doch Andreas ist zunächst zufrieden. Erst als er eine Affäre mit der freundlichen Anne-Britt (steril: die Engländerin Petronella Barker) beginnt, fällt ihm allmählich auf, dass hier etwas nicht stimmt. Das Essen hat keinen Geschmack, Alkohol hat keine Wirkung, der Sex mit Anne-Britt ist mechanisch und gar nicht leidenschaftlich, es gibt keine Gerüche in der Stadt, es gibt keine Kinder - und selbst Verletzungen heilen wie von selbst.

Anfänglich denkt Andreas über diese Seltsamkeiten nicht besonders intensiv nach. Doch dann fängt er an, unruhig zu werden. Die Tatsache, dass sich Anne-Britt - wie alle anderen - offensichtlich nur für alles was mit "schöner wohnen" zu tun hat interessiert, beginnt ihn zu stören. Und es geht ihm so nach und nach auf die Nerven, dass man mit den anderen nur belanglosen Small Talk führen kann, dass er täglich nur sinnlos Zahlen in seinen Computer eintippt, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht, dass sich eigentlich niemand für ihn interessiert und dass es diese seltsamen "Aufpasser" gibt, die offensichtlich für den reibungslosen Ablauf des sterilen Lebens in dieser Stadt ohne Namen sorgen. Die "Aufpasser" scheinen sich für Andreas zu interessieren, denn er fängt an, gegen die Regeln zu verstoßen. Doch bevor Schlimmeres passieren kann, lernt Andreas die blonde Ingeborg (freundlich: die Norwegerin Brigitte Larsen) kennen. Sie scheint all das zu personifizieren, was er bei Anne-Britt nicht findet.

Voller Begeisterung überschüttet Andreas sie mit seiner Liebe, droht sie fast damit zu ersticken - und plötzlich beginnt aus der Ausnahmeerscheinung Ingeborg ebenfalls eines dieser emotionslosen und sterilen Wesen zu werden, die sich nur für die perfekte Inneneinrichtung der Wohnung interessieren und für die nächste Party, die sie darin geben wollen. Andreas will weg aus dieser grauenvollen Stadt. Er stiehlt sich davon und kann sogar den Spuren des Busses folgen, der ihn hergebracht hat. Doch die Spuren enden im Nichts. Andreas wird wieder in die Stadt gebracht und verwarnt. Dann hört er eines Tages aus dem Keller eines Hauses wunderschöne klassische Musik. Andreas stellt Nachforschungen an und trifft dabei auf Hugo. Sehr schnell stellt Andreas fest, dass auch Hugo dieselben Sehnsüchte hat wie er. Doch Hugo ist schon weiter. Er hat in seinem Keller einen Riss in der Wand entdeckt, aus dem diese traumhafte Musik zu hören ist. Schnell sind sie sich einig, dass dort ein Weg hinausführen muss aus dieser lieblosen Welt. Gemeinsam graben und hacken und schaufeln sie wie die Wahnsinnigen, um den Riss zu verbreitern. Und je breiter der Riss wird, desto intensiver wird die Musik - und plötzlich gibt es auch Gerüche. Wunderbare, herrliche Gerüche nach Blumen und frischem Brot und echtem Leben dringen aus dem verbreiterten Riss. Und die Gerüche dringen durch das Kellerfenster nach oben, auf die Straße. Und schon bald hat sich dort eine Menschenmenge versammelt, die sehnsüchtig und gierig diese Gerüche nach Leben einatmet und auch dorthin will, wo sie herkommen. Doch diese Sehnsüchte sind den "Aufpassern" natürlich ein Dorn im Auge.

Kritik

Der Film "Anderland" ist ein Film wie kein anderer. Ein ebenso surrealer wie komischer Film, eine ebenso bitterböse wie rabenschwarze Satire auf unser ach so perfektes Leben, eine treffende und betroffen machende Parabel auf unsere oberflächliche Gier nach Konsum. Mit einem Wort: ein Horrorfilm ohne Blut und Leichen. Der Regisseur Jens Lien sagte über seinen Film "Anderland": "Für mich ist der Film das Portrait einer Gesellschaft, die etwas verloren hat. Eines Ortes, an dem alles funktioniert, aber keine Emotionen vorhanden, irgendwann vergessen worden sind. Andreas kommt in seiner neuen Welt an, alles scheint perfekt zu sein, doch er fügt sich nicht ein. Er träumt, verliebt sich, hat Sehnsüchte - doch das scheint für die anderen befremdend und störend zu sein. Was "Anderland" besonders macht, ist die Art, wie er eine Gesellschaft beschreibt, der die Gefühle abhandengekommen sind. Dass es keinerlei Widerstand gibt, erzeugt ein ungemütliches Gefühl, das immer stärker wird. Andreas kann niemanden außer sich selbst dafür verantwortlich machen, da ihm ja jeder freundlich entgegen tritt. Dieser Mangel an Reibungsfläche zerreißt ihn fast. Er ist lebendig in einer toten Welt. "Anderland" ist die stilisierte und absurde Bebilderung eines Albtraums. Ein Horrorfilm in einer Allerweltsumgebung." Zitat Ende.

Was den Film "Anderland" so besonders macht, ist die Tatsache, dass er in einer Stadt spielt, die wie eine der unseren aussieht. Und dass er eine Gesellschaft portraitiert, die viele so erstrebenswert finden: Keine Probleme, keine Auseinandersetzungen, jeder hat Arbeit, jeder hat eine Wohnung, jeder hat genug zu Essen und zu Trinken, jeder ist freundlich zu jedem. Es gibt keinen Tod mehr und nicht den Zwang, Gefühle oder gar Mitgefühl zu zeigen, es gibt keine Träume - denn jeder hat ja alles, was das Herz begehrt - und es gibt keine Liebe mehr. Denn die würde ja tiefe Emotionen voraussetzen und Emotionen machen bekanntlich Probleme. Ein perfektes Leben - und ein todtrauriges und einsames noch dazu. Manchmal hat mich "Anderland" an Jacques Tati und seinen Monsieur Hulot erinnert, der sich in diesem ultramodernen Haus verliert. Manchmal kam er mir vor wie ein weitergesponnener Film von David Lynch, dem Meister des Surrealen. "Brazil" und "Delicatessen" wurden als Vergleiche von manchen Kollegen herangezogen und auch das ist gar nicht so weit hergeholt. Und ein Hauch von "Die Frauen von Stepford" - des Originals natürlich - schwebt ebenfalls darüber. Beeindruckend ist aber nicht nur die absonderliche Story, sondern auch die wunderbaren Schauspieler, die diese ungewöhnliche Story so überzeugend darstellen.

Fazit
Der Film "Anderland" ist ein ausgesprochen ungewöhnlicher Film, sehenswert für alle, die das Besondere mögen und sich auch mal abseits der üblichen Hollywoodklischees unterhalten wollen. Denn eines ist "Anderland" während seiner 90 Minuten garantiert nicht: langweilig. Ganz im Gegenteil.
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 70 %


Original Filmtitel: Den brysomme mannen
Land: Norwegen
Jahr: 2006
Laufzeit ca.: 90
Genre: DramaFantasyKomödie
Verleih: Zorro Film
FSK-Freigabe ab: 16 Jahren

Kinostart: 04.10.2007
Heimkino: 08.05.2008

Regie: Jens Lien
Drehbuch: Per Schreiner

Schauspieler: Trond Fausa Aurvåg (Andreas) • Petronella Barker (Anne-Britt) • Per Schaanning (Hugo) • Birgitte Larsen (Ingeborg) • Johannes Joner (Håvard) • Ellen Horn (Trulsen) • Anders T. Andersen (Harald) • Sigve Bøe (Kleiner Mann) • Hanne Lindbæk (Vigdis) • Ivar Lykke (Kollege) • Audun G. Magnæs (Gutt som kliner) • Mette Karin Haugen (Mädchen)

Produktion: Jørgen Storm Rosenberg
Szenenbild: Are Sjaastad
Kostümbild: Anne Pedersen
Maskenbild: Eros Codinas
Kamera: John Christian Rosenlund
Musik: Ginge Anvik
Schnitt: Vidar Flataukan

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Bild: Zorro Film

1 customer review

gut
04.10.07
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