Drei Tage und ein Leben

Kinoplakat Drei Tage und ein Leben

Schuldgefühle können einen Menschen erdrücken. Der zwölfjährige Antoine lädt sich eine große Schuld auf und ist nicht in der Lage mit Menschen, die ihm nahestehen, darüber zu sprechen.

Fünfzehn Jahre später ist die Jugendsünde vergessen und er besucht erneut sein Heimatdorf Ollay. Die Zeit ist hier stehen geblieben, die alten Wunden sind noch offen und plötzlich ist alles wieder präsent. Im nahegelegenen Wald wird Holz geschlagen und Antoine fürchtet, die Beweise könnten entdeckt werden. Er eilt in den Wald – aber es ist zu spät. Man findet, was fünfzehn Jahre lang verschwunden war und die alten Schuldgefühle kochen nicht nur bei Antoine erneut hoch.

Kritik

Der Film "Drei Tage und ein Leben" hat eine Besonderheit: Er ordnet dem Stil alles unter. Bereits die ersten Bilder sind bleischwer und bis zum Ende lässt die Handlung den Zuschauer nicht aus der Umklammerung, knappe zwei Stunden ohne Lichtblick und Aufatmen. Damit trifft der Film die diffusen Schuldgefühle gut, die seinen Hauptdarsteller in zwei Lebensabschnitten niederdrücken.

Die starke Stilisierung diktiert die Handlung und bedingt die teils seltsamen Entscheidungen der Figuren. Der erwachsene Antoine könnte den Fall aufklären und käme wahrscheinlich ohne Strafe davon. Doch er schweigt weiterhin und trägt die daraus resultierenden Konsequenzen. Als Mediziner müsste ihm klar sein, dass der den Gang nicht lohnt. Und es ist fahrlässig im finsteren Wald eine Taschenlampe eingeschaltet zu lassen, obwohl andere Menschen kommen.
Auch seltsam: Der Hausarzt und der Liebhaber der Mutter leiden fünfzehn Jahre aus Sympathie zu Antoine oder um die Mutter zu schützen. Antoine und Emilie haben miteinander Sex. Der hauptsächlich dazu dient, dass Antoine mit den Folgen leben muss. Diese Entscheidungen verwundern.

Die Figuren leiden unter der Stilisierung insofern, dass sie eindimensional gezeichnet sind und keine Veränderungen durchlaufen. Charles Berling ist der dauerhaft cholerische Nachbar. Sandrine Bonnaire ist die starke Frau und Mutter. Jeremy Senez spielt den jungen Antoine, auf dem fast die gesamte erste Hälfte des Films ruht, erstaunlich. Pablo Pauly übernimmt als Erwachsener und sieht mit seinen rotblonden Locken dem kindlichen Darsteller gar nicht ähnlich, denn Senez hat glatte blonde Haare. Das ist ein auffälliger Stilbruch.

Im zweiten Filmabschnitt deuten die Menschen ihre Seelenqual an, ohne ihr Seelenleben preiszugeben. Das passt ins Konzept und lässt die Handlung oberflächlich erscheinen, weil die Menschen viel reden, aber nie auf den Punkt kommen. Die alleinerziehende Mutter beispielsweise tauscht sich mit ihrem Sohn kaum aus. Das gekünstelte Verhalten der Menschen untereinander läuft dem Naturalismus zugegen.
Auch die Logik ist der Stilisierung unterworfen. Eine Leiche verwest fünfzehn Jahre lang in einem feuchten Wald anscheinend nicht und ist so gut erhalten ist, dass der Gerichtsmediziner zu dem Urteil kommt? Außerdem wäre die angedachte DNA-Analyse nicht wasserdicht.

Die Stilmittel huldigen der Überzeichnung. Während des Sturms fällt ein Baum genauso um, dass die Spitze durch ein kleines Fenster passt und den dort stehenden Menschen trifft. Ein kleiner Bach schwillt zu einem Sturzbach an und tötet einhundert Menschen. Wobei die Naturgewalten das Seelenleben des Dorfes spiegeln und ein pathetisches Bild ergeben.

Neben den Schuldgefühlen werden weitere Themen angerissen. Die Menschen haben Existenzängste. Die Kirche ist scheinheilig. Es herrscht Ausländerfeindlichkeit. Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs steht im Raum.

Fazit
Der Film "Drei Tage und ein Leben" ist ein introvertiertes Kunst-Drama, welches sich nicht selbst erklärt. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das behandelte Thema als unterhaltend empfunden wird. Ein Einlassen des Zuschauers ist zwingend.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %


Original Filmtitel: Trois jours et une vie • Three Days and a Life
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Laufzeit ca.: 119
Genre: DramaKrimi
Verleih: Atlas Film
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 03.09.2020
Heimkino: 18.12.2020

Regie: Nicolas Boukhrief
Drehbuch: Pierre Lemaitre
Literaturvorlage: Pierre Lemaitre

Schauspieler: Sandrine Bonnaire (Blanche Courtin) • Pablo Pauly (Antoine Courtin) • Charles Berling (Michel Desmedt) • Philippe Torreton (Hubert Dieulafoy) • Margot Bancilhon (Emilie Desmedt) • Jeremy Senez (Antoine Courtin als Kind) • Dimitri Storoge (Lambert) • Arben Bajraktaraj (Andreï Kowalski) • Yoann Blanc (Monsieur Mouchotte) • Igor van Dessel (Théo Mouchotte) • Murielle Texier (Jeanne Desmedt) • Pauline Sakellaridis (Emilie Desmedt als Kind)

Produktion: Julien Colombani • Sidonie Dumas • Adrian Politowski
Szenenbild: Pascalle Willame
Kostümbild: Elise Ancion
Maskenbild: Véronique Marchand
Kamera: Manuel Dacosse
Musik: Robin Coudert
Schnitt: Lydia Decobert

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Bild: Atlas Film

1 customer review

befriedigend
30.08.20
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