30 ist für viele Menschen eine Zeit, in der sie das eigene Leben hinterfragen. Manchmal auch der richtige Zeitpunkt für grundlegende Änderungen. Eine Erbschaft und die damit verbundene Luftveränderung kommen dann wie gerufen.
Das Kunstdrama in naturalistischer Kulisse dokumentiert das Zurück zur Natur einer jungen Frau. Christina (Christelle Cornil) ist fast 30 und lebt in Belgien. Sie arbeitet als Kellnerin in der Pizzeria ihres Schwiegervaters und ist mit Marco liiert (Jean-Jacques Rausin). Was Christina gar nicht passt, sind die festgefahrenen Bahnen, in denen ihr Leben verläuft. Da scheint die unerwartete Erbschaft wie ein Rettungsanker: Von der Großmutter hat sie ein Haus auf Korsika geerbt. Sie beschließt, das Haus vor einem möglichen Verkauf zu inspizieren. Vor Ort stellt sie fest, das heruntergekommene Gemäuer nicht mehr wert. Doch sie sieht in der Renovierung die Möglichkeit, dem bisherigen Leben eine Wendung zu verleihen.
Kritik
Dem Film sehe ich in manchen Punkten das Debüt an. So fehlt den handwerklichen Aspekten der letzte Schliff. Die Handlung ist zwar ähnlich rau wie die Gegend, in der die Erbschaft liegt, doch die Schnitte erfolgen mitunter zu abrupt. So werden längere Szenen mit hakeligen Schnitten zu einer Art Zeitraffer. Fast als wolle der Film sich nicht die Zeit nehmen etwas so banales zu zeigen, wie das Einladen von Bauschutt in ein Auto.
Doch nicht nur die Szenen verlaufen sprunghaft, sondern die Handlung springt über Feinheiten hinweg und überlässt es dem Zuschauer zwischen den Zeilen zu lesen. Das macht manchmal Spaß, manchmal weiß ich nicht genau, was Sache ist. Da ist etwa die Szene mit dem Hund. Plötzlich läuft Christina stundenlang ein Hund nach. Wie sie später erfährt, ist es der Hütehund des Schäfers. Der es gewohnt ist, Dinge zusammenzuhalten, so erklärt der Besitzer. Das kann bedeuten, dass der Schäfer und die Frau ein Paar sein sollten oder vielleicht werden könnten.
Was mich etwas verwunderte, denn Christina möchte eine Welt hinter sich lassen, in der die Männer sie auffällig oft herumkommandieren. Vater, Schwiegervater und selbst der Arbeitskollege wissen es besser. Allerdings ist die Gesellschaft auf Korsika auch eine von Männern dominierte Welt. Wenngleich es dort schon selbstbewusste Frauen gab und in Gestalt einer Kneipenbesucherin auch noch gibt. Festlegen will ich mich jetzt nicht, denn der Film bleibt auch in diesem Punkt deutbar. So vermute ich mal, dass Christina vielleicht nicht nur den Ausbruch aus den Strukturen sucht, sondern die Rückkehr in die Natur, die das 12-Seelen-Dorf, in das sie ziehen will, in großem Maße bietet.
Der Regisseur selber sagt, dass die Menschen heute den Bezug zur Natur verloren haben. In seinem Film tauchen Naturaufnahmen auf. Allerdings jeweils so kurz, dass ich mich weder daran weiden kann, noch darin eintauchen. Sein männlicher Hauptdarsteller ist ein Naturbursche wie aus dem Bilderbuch. Und irgendwie funkt es zwischen Christina, die aber die bestehende Beziehung in Belgien noch nicht beendet hat, und dem Korsen. Der Rest geschieht zwischen den Zeilen.
Was leider Papier bleibt, ist die Zeichnung der Figuren. Wenngleich ich Christina gute 80 Minuten lang begleite, bleibt sie mir fremd. Von einer Entwicklung will ich auch nicht sprechen. Es bleibt auch für den Zuschauer eine Reise, die aus einigen Tagen im Leben einer jungen Frau besteht. Zwei weitere Punkte missfallen mir. Anfangs nervt die Handkamera etwa dann, wenn sie gehende Menschen filmt. Da treffen zwei unterschiedliche Bewegungs-Rhythmen aufeinander: Kamera und Mensch. Später stört mich die unpassende Filmmusik wiederholt.
Fazit
Alles in allem ist "Das Haus auf Korsika" ein solides Langfilm-Debüt von Pierre Duculot, der das Drehbuch schrieb und Regie führte. Schade daran ist, dass es über eine schablonenhafte Charakterzeichnung nicht hinauswächst und unterm Strich nicht mehr bietet als andere Filme des Genres.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: Belgien • Frankreich
Jahr: 2011
Laufzeit ca.: 82
Genre: Spielfilm
Verleih: Schwarz-Weiss Filmverleih
FSK-Freigabe ab: 6 Jahren
Kinostart: 12.07.2012
Heimkino: 13.09.2013
Regie: Pierre Duculot
Drehbuch: Pierre Duculot
Schauspieler: Christelle Cornil (Christina) • François Vincentelli (Pascal) • Jean-Jacques Rausin (Marco) • Pierre Nisse (Tony) • Roberto D'Orazio (Alberto) • Marijke Pinoy (Annette) • Cédric Eeckhout (Cédric) • William Dunker (Gino) • Marcelle Stefanelli (Flora) • Didier Ferrari (Félix) • Thomas Bronzini de Caraffa (Thomas) • Djemel Barek (Kamel)
Produktion: Denis Delcampe • Isabelle Mathy
Szenenbild: Françoise Joset
Kostümbild: Gaëtane Paulus
Maskenbild: Nelly Robin
Kamera: Hichame Alaouié
Ton: Quentin Collette
Schnitt: Susana Rossberg • Virginie Messiaen
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