Das Mädchen, das die Seiten umblättert

Kinoplakat Das Mädchen, das die Seiten umblättert

Mélanies ganze Leidenschaft gehört dem Klavierspielen. Das kleine, introvertierte Mädchen, die Tochter eines Metzgers, hat nur einen Wunsch: auf das Konservatorium zu gehen und Pianistin zu werden. Doch beim Vorspielen bringt die berühmte Pianistin Fouchecourt durch ihr unsensibles Benehmen die kleine Mélanie völlig aus dem Konzept. Sie versagt und gibt aus lauter Wut und Enttäuschung darüber das Klavierspielen ganz auf. 10 Jahre später kreuzen sich ihre Wege wieder.

Der Film "Das Mädchen, das die Seiten umblättert" ist ein perfekter kleiner Psycho-Thriller des französischen Regisseurs Denis Dercourt, der zusammen mit Jacques Sotty auch das Drehbuch verfasste. Die kleine, blonde Mélanie (erstaunlich überzeugend: Julie Richalet) ist sehr aufgeregt, obwohl man es dem introvertierten, ruhigen Mädchen nicht ansieht. Die einzige Tochter eines Metzgers lebt nur für die Musik. Klavierspielen ist ihr ein und alles, und ihr größter Berufswunsch wäre es, Pianistin zu werden, und ihre eher einfachen Eltern unterstützen sie darin, wo es nur geht. Unermüdlich übt Mélanie für das Vorspielen im Konservatorium. Und jetzt ist der große Tag da. Ihre Mutter begleitet sie, und ruhig und beherrscht betritt Mélanie den Raum, in dem das Vorspielen vor der Jury stattfinden soll. Jurypräsidentin ist Ariane Fouchecourt (arrogante Ziege: Catherine Frot), eine bekannte Pianistin. Mélanie beginnt zu spielen, und alle Jurymitglieder nicken anerkennend mit dem Kopf. Bis zu dem Augenblick, in dem plötzlich die Tür aufgeht und ein Fan von Madam Fouchecourt hereinplatzt, um ein Autogramm zu bekommen. Madam wirft die aufdringliche Person nun keineswegs hinaus, sondern bittet sie huldvoll zu ihrem Platz und gibt ihr das Autogramm. Dieser Vorfall bringt Mélanie so aus zu dem Konzept, dass sie anfängt sich zu verspielen und schließlich verzweifelt aufgibt. Arrogant meint Madam Fouchecourt darauf: "Aber deswegen hättest du doch nicht zu spielen aufhören müssen." Ruhig und beherrscht, aber mit Tränen in den Augen, verlässt Mélanie den Raum. Sie hat versagt. Die unbändige Wut darüber äußert sich nur dadurch, dass sie einem anderen Mädchen, das noch warten muss und am Klavier derweilen übt, die Hände fast mit dem Klavierdeckel zerquetscht. Die Konsequenz, die Mélanie aus dieser Enttäuschung zieht: sie hört mit dem Klavierspielen für immer auf.

10 Jahre später ist aus Mélanie (Engel mit schwarzer Seele: Déborah Francois) eine hübsche junge Frau geworden. Ruhig, kompetent und immer freundlich, wenn auch auf eine sehr zurückhaltende Art, nimmt sie in Paris eine Stelle als Sekretariatspraktikantin in einer Anwaltskanzlei an. Chef der Kanzlei ist der Anwalt Fouchecourt (echter Gentleman: Pascal Greggory), der bald sehr viel von seiner effektiven und diskreten Praktikantin hält. Durch eine Kollegin erfährt Mélanie, dass Monsieur Fouchecourt eine Ferien-Betreuerin für seinen zehnjährigen Sohn Tristan (nett: Antoine Martynciow) sucht. Da ihr Praktikum zu diesem Zeitpunkt abläuft, bietet Mélanie ihm ihre Dienste an. Er nimmt das Angebot gerne an. Da die Familie Fouchecourt ziemlich weit außerhalb der Stadt wohnt, ist es unumgänglich, dass Mélanie während der Zeit dort wohnt. Am Bahnhof wird sie von Madam Fouchecourt abgeholt, jener Pianistin, die einst ihre eventuelle Karriere zerstörte. Doch Ariane Fouchcourt erkennt die ehemalige Vorspielerin natürlich nicht mehr, und Mélanie gibt sich nicht zu erkennen.

Die Fouchecourts wohnen in einem luxuriösen Schlösschen inmitten eines weitläufigen Gartens. Hier gibt es jeden erdenklichen Luxus: Tennisplätze, ein Schwimmbad und viel Platz. Doch das Wichtigste in der Familie Fouchecourt ist natürlich das Klavier. Tristan soll wie seine Mutter eine Karriere am Piano machen, und muss jeden Tag viel üben. Ariane ist überglücklich als sie feststellt, dass Mélanie etwas von Musik versteht. So kann sie das Üben ihres Sohnes beaufsichtigen. Ariane selbst ist mit ihrer eigenen Karriere beschäftigt, die seit einem Autounfall ziemlich ins Abrutschen gekommen ist. Seit diesem Unfall leidet Ariane an heftigem Lampenfieber und kann praktisch nicht mehr als Solistin auftreten. Sie spielt jetzt mit einem Ehepaar in einem Trio. Virginie (Clotilde Mallet) ist die Geigerin, ihr Mann Laurent (Xavier de Guillebon) spielt Violoncello. Aber trotzdem ist jeder Auftritt für Ariane eine Qual. Die nervöse und hypersensible Frau fasst immer mehr Vertrauen zu Mélanie, und bietet ihr schließlich an, bei dem nächsten Konzert des Trios die Noten umzublättern. Mélanie nimmt an. Das Konzert mit Werken von Schostakowitsch wird ein umjubelter Erfolg.

Unmerklich hat sich die Beziehung der beiden Frauen verändert. Sie wirken mehr wie enge Freundinnen, was durch das Benehmen von Mélanie noch vertieft wird. Immer wieder berührt sie Ariane, unabsichtlich wie es scheint, wirft ihr lange, intensive Blicke zu, und den Konzert-Erfolg "belohnt" sie mit einem Kuss. Und Ariane verfällt immer mehr dem geheimnisvollen Zauber der jungen Frau mit dem sanften Gesicht eines Engels. Sie ist nicht die Einzige, der Mélanie gefällt. Laurent, der Violoncellospieler des Trios, macht sich in einem unbeobachteten Augenblick an die hübsche Mélanie heran. Er umarmt sie von hinten, drückt ihr das Instrument in die Hand, um ihre Brüste kosen zu können. Mélanie lässt das zuerst regungslos über sich ergehen. Dann hebt sie das Violoncello kurz an und stößt die Spitze mit voller Wucht in Laurents Fuß. Er landet schwer verletzt im Krankenhaus und stellt das Ganze als Unfall hin. Auch sonst zeigt Mélanie so nach und nach ihr gar nicht engelhaftes wahres Gesicht und der Zuschauer begreift allmählich, dass er hier Zeuge eines perfekt inszenierten Rachefeldzugs wird.

Kritik

Still, ruhig und unglaublich perfide erzählt Regisseur Denis Dercourt im Film "Das Mädchen, das die Seiten umblättert" die Geschichte einer Rache. Am Anfang hat man Mitleid mit dem kleinen Mädchen, dessen sehnlichster Berufswunsch so kläglich scheitert. Aber schon als Mélanie der Konkurrentin, die ja gar nichts dafür kann, in ihrer Wut fast die Finger zerquetscht, wird man ein bisschen hellhörig. Die ruhige, selbstbeherrschte Mélanie scheint ja offensichtlich zu den "stillen, aber tiefen Wassern" zu gehören. Und dann ihr Auftritt bei den Fouchecourts. Zunächst glaubt man noch an einen Zufall, aber schon ziemlich bald wird klar, dass Mélanie eine junge Frau ist, die nichts dem Zufall überlässt. Unglaublich die Raffinesse, mit der sie sich in die Familie einschleicht und sich unentbehrlich macht. Das erinnert an die besten Momente eines Claude Chabrol-Thrillers. Unglaublich bösartig, wie sich dann Mélanie auch noch in das Herz der inzwischen hilflosen Ariane einschleicht. Und wie sie ihre Rache auch an Arianes Sohn Tristan auslässt. Und selbst vor Arianes Mann nicht Halt macht. Dabei hat Déborah Francois immer dieses Engelsgesicht, glatt, zurückhaltend freundlich, undurchschaubar. Eine hübsche Maske, die ihre kalte Entschlossenheit gekonnt verbirgt. Die belgische Schauspielerin aus Lüttich ist für diese Rolle einfach perfekt. Ebenso wie Catherine Frot als Ariane. Mehr als nur überzeugend stellt sie dar, wie aus der selbstherrlichen, erfolgsverwöhnten Star-Pianistin eine nervöse, überforderte und ängstliche Frau wird, die sich dankbar an die Freundschaft und Zuneigung klammert, die ihr Mélanie ihrer Meinung nach entgegenbringt.
Bemerkenswert ist nicht nur die logisch durchkomponierte Story, sondern auch die Musik. Und dafür hat Regisseur Denis Dercourt alle Voraussetzungen. Der Sohn einer Klavierlehrerin (!) studierte zunächst Philosophie und Politologie, und arbeitete dann nach seinem Diplom als Musiker. Er war Solobratschist und hat seit 1993 einen Lehrauftrag für Bratsche und Kammermusik am Conservatoire National in Strasbourg. Kein Wunder, dass auch die Musik des Films perfekt passt. Die Kompositionen stammen, neben Werken von Schostakowitsch, Bach und Schubert, vom Pianisten Jèrome Lemonnier.

Fazit
Der Film "Das Mädchen, das die Seiten umblättert" gehört in eine Reihe mit den früheren, unglaublich spannenden Thrillern von Claude Chabrol. Ein perfekter kleiner Psycho-Thriller, der einen von Minute zu Minute mehr in den Bann zieht. Hervorragende Schauspieler, eine tolle Story und wunderschöne Musik. 95 absolut unterhaltsame Minuten. Sehenswert!
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 70 %


Alternativitel: La tourneuse de pages • The Page Turner
Land: Frankreich
Jahr: 2006
Laufzeit ca.: 83
Genre: DramaMusik • Thriller
Verleih: Alamode Film
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 03.05.2007
Heimkino: 09.11.2007

Regie: Denis Dercourt
Drehbuch: Denis Dercourt • Jacques Sotty

Schauspieler: Catherine Frot (Ariane) • Déborah François (Mélanie) • Pascal Greggory (M. Fouchécourt) • Clotilde Mollet (Virginie) • Xavier de Guillebon (Laurent) • Christine Citti (Madame Prouvost) • Jacques Bonnaffé (M. Prouvost) • Antoine Martynciow (Tristan) • Julie Richalet (Mélanie als Kind) • Martine Chevallier (Madame Onfray) • André Marcon (M. Werker) • Arièle Butaux (Radiomoderatorin)

Produktion: Michel Saint-Jean
Szenenbild: Antoine Platteau
Kostümbild: Antoine Platteau
Maskenbild: Véronique Delmestre • Chantal Leothier
Kamera: Jérôme Peyrebrune
Musik: Jérôme Lemonnier
Schnitt: François Gédigier

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Bild: Alamode Film

1 customer review

gut
03.05.07
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