Das wahre Leben

Kinoplakat Das wahre Leben

Vater Roland Spatz ist hoch dotierter Risikomanager, der täglich 14 Stunden arbeitet, Mutter Sybille geht ganz in ihrer Arbeit als Galeristin auf, Sohn Charles hat bei der Bundeswehr sein schwules Coming-out, und der von allen nicht besonders beachtete Sohn Linus bastelt in seinem Zimmer kleine Bomben, mit denen er wahlweise Vogelhäuschen oder die Kitschfiguren in Nachbars Garten zerfetzt. Familie Spatz ist also eine richtig nette Durchschnittsfamilie. Bis Vater Roland von heute auf morgen seinen Job verliert.

Der Film "Das wahre Leben" ist der neue Film des Schweizer Filmemachers Alain Gsponer. Familie Spatz ist eine Vorzeigefamilie, die in teurer Vorstadtidylle in einem schicken Bungalow residiert. Vater Roland (verwirrter Arbeitsloser: Ulrich Noethen, bekannt aus "Der Untergang") ist hoch bezahlter Risikomanager bei einem Großkonzern, der 14 Stunden am Tag arbeitet und wenig bis gar keine Zeit für die Familie hat. Doch als der Konzern von einem anderen übernommen wird, steht Roland Spatz von heute auf morgen auf der Straße. Mutter Sybille Spatz (ungewohnt schwarzhaarig: Katja Riemann) macht in moderner Kunst und führt den Haushalt nur so nebenbei. Der 19-jährige Sohn Charles (verwirrter Homo: Volker Bruch) muss zum Bund und stellt dort fest, dass er homosexuell ist. Und dann gibt es noch den jüngeren Sohn Linus (intelligente Trantüte: Josef Mattes, der Sohn von Eva Mattes). Der wird von den anderen kaum beachtet, und deshalb merkt auch keiner, welches nette Hobby Klein-Linus hat: Er bastelt auf seinem Zimmer nämlich Bomben. Mit denen jagt er dann wahlweise Vogelhäuschen oder kitschige Figuren aus Nachbars Garten in die Luft.

Als Vater plötzlich arbeitslos ist und den ganzen Tag zuhause rumsitzt und allen fürchterlich auf die Nerven geht, beschließt der Herr Papa, auch mal was Sinnvolles für die Familie zu tun. Er wird das Eigenheim renovieren! Und zwar als Heimwerker! Was bedeutet, dass Vater Roland langsam aber sicher das Haus auseinandernimmt. Und die Wand, die er unbedingt weghaben will – wegen des besseren Lichts und so – entpuppt sich natürlich nach der fast vollständigen Demontage als tragende Wand, was dem Haus nicht gut bekommt. Mutter Sybille übergeht das alles voller Selbstironie und mit ihren unglaublich coolen Sprüchen. Dann lernt Linus bei einem seiner Bombenattentate auf Gartenzwerge die Nachbarstochter Florina Krüger (wütend und verzweifelt: Hannah Herzsprung) kennen. Florina ist - um es freundlich auszudrücken – etwas merkwürdig. Aber Linus stört das wenig, er ist es ja schließlich auch.
Über Florina lernt die Familie Spatz dann auch die Familie Krüger kennen, die auch etwas merkwürdig ist. Kätzchen Krüger, Florinas Mutter, weint ständig, Happy Krüger, Florinas Vater, tröstet sie ständig. Und während die Krügers weinen und trösten, Vater Spatz voller Elan das Eigenheim demontiert, Mutter Spatz in ihrer Galerie für zeitgenössische Kunst herumtobt, Sohnemann Charles beim Bund die Freuden der gleichgeschlechtlichen Liebe beim Robben im Wald auskostet, und Linus neue Bomben-Mixturen ausprobiert, merkt niemand, dass Florina vor dem Durchdrehen steht. Erst als sie einen Selbstmordversuch unternimmt und Linus sie gerade noch aus dem Swimmingpool ziehen kann, werden die anderen darauf aufmerksam, dass es außer dem eigenen Ego auch noch etwas anderen gibt.

Kritik

Mit dem Film "Das wahre Leben" ist Regisseur Alain Gsponer etwas Seltenes gelungen: eine bittere Komödie, teils mit tiefschwarzem Humor, teils mit überbordendem Witz, aber immer voller Wahrheit und punktgenauer Treffsicherheit. Die Drehbuchschreiber Matthias Pacht und Alex Buresch haben "Das wahre Leben" sehr genau beobachtet, und mit unglaublicher Launigkeit aufgeschrieben, wie sich ein gutbürgerliches Leben durch ein paar unbeachtete Kleinigkeiten in Nichts auflösen kann. Dass es keine Sicherheit gibt, dass alles von heute auf morgen wie ein windiges Kartenhaus einstürzen kann. Vater Roland merkt nicht, dass er schon länger auf dem Schleudersitz sitzt, Mutter Sybille ist zwar ein Muttertier, merkt aber vor lauter Galerie auch nicht, wie alles zu bröseln anfängt, und Florinas Eltern sind sowieso zu sehr mit sich beschäftigt, um zu merken, was mit ihrer Tochter los ist. Und so kommt eines zum anderen und irgendwann ist alles nur noch ein großer Trümmerhaufen, und zwar nicht nur im übertragenen sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes. Doch auf den Trümmern ihres zerstörten Bungalows findet die Familie Spatz erstaunlicherweise wieder zusammen.

Doch was wären ein tolles Drehbuch und ein guter Regisseur ohne die entsprechenden Schauspieler. Und die hat Alain Gsponer gefunden. Katja Riemann, Ulrich Noethen, Hannah Herzsprung, Josef Mattes, und alle anderen, sind einfach großartig. Sie verleihen ihren Figuren so viel Leben und Realität, dass man richtig enttäuscht ist, wenn der Film zu Ende ist. Dieser herrlich chaotischen Familie würde man gerne noch länger zuschauen. In den 103 Minuten, die das "Wahre Leben" dauern, hat man diese unglaublichen Chaoten richtig ins Herz geschlossen. Weil sie so echt und realistisch sind, und weil sie uns allen irgendwie ähneln.

Fazit
Der Film "Das wahre Leben" ist ein wunderbarer Film über die Zerbrechlichkeit des Familienlebens: vergnüglich und bitterböse, höchst amüsant und voller Dramatik, witzig und traurig und selbstironisch. 103 Minuten im Leben von zwei Familien, die zeigen, dass es gar nicht viel braucht, um aus einer angeblichen Familienidylle ein Drama werden zu lassen. Sehenswert.
Filmkritik: Julia Edenhofer
Wertung: 70 %


Land: Deutschland
Jahr: 2006
Laufzeit ca.: 103
Genre: Drama
Verleih: Zorro Film
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 08.03.2007
Heimkino: 27.08.2007

Regie: Alain Gsponer
Drehbuch: Alex Buresch • Matthias Pacht

Schauspieler: Katja Riemann (Sybille Spatz) • Ulrich Noethen (Roland Spatz) • Hannah Herzsprung (Florina Krüger) • Josef Mattes (Linus Spatz) • Volker Bruch (Charles Spatz) • Alexander Held (Happy Krüger) • Juliane Köhler (Katharina 'Kätzchen' Krüger) • Martin Feifel (Hannes Wendling) • Timo Dierkes (Stefan Kowalski) • Bernhard Baier (Graue Eminenz) • Susanna Fernandes-Genebra (Frau Ruiz) • Katja Gaub (Claudia)

Produktion: Andreas Bareiß • Bernd Burgemeister
Szenenbild: Renate Schmaderer
Kostümbild: Barbara Grupp
Maskenbild: Gregor Eckstein • Jeanette-Nicole Latzelsberger
Kamera: Matthias Fleischer
Musik: Marius Lange
Schnitt: Melanie Werwie

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Bild: Zorro Film

1 customer review

gut
08.03.07
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