Der Lebensversicherer

Kinoplakat Lebensversicherer

Deutsches Kino stellt sich gerne selbst ein Bein, indem es sich in den eigenen Ansprüchen verheddert. Das trifft auf den "Lebensversicherer" nur bedingt zu, denn er ist eine Fernsehproduktion, die vorab im Kino läuft. Doch das hindert den Film nicht daran, haushohe Ansprüche an sich selbst zu stellen.

"Es gibt zwei Wege zu lernen. Durch Zuwendung oder durch Leiden", sagt meine Heilpraktikerin. Und obwohl sie das nicht aufs Kino bezieht, hat sie recht, denn im Land der Dichter und Denker wagt es zu selten jemand einen Film zu drehen, der hauptsächlich eine Geschichte erzählen möchte. Deutsche Produktionen bewegen sich zwischen banalen Komödien und (pseudo) anspruchsvollen Werken. Oder sind schwere Kost. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass deutsche Filme mindestens vier Ebenen, drei Interpretationsmöglichkeiten und wenn schon keine gedrechselten, dann wenigstens geschnitzte Dialoge haben.

"Der Lebensversicherer" reiht sich leider in die Reihe des anspruchsvollen, deutschen Kinos ein. Sie wissen ja, man lernt durch Zuwendung oder durchs Leiden ... Und das Leiden versinnbildlicht gleich die Eröffnung. Ein Mann fährt mit seinem Auto durch eine Waschstraße und bekommt währenddessen einen Anfall, weil er eingeschlossen ist. Er flüchtet vor den wabernden, schabenden alles beherrschenden Bürsten und Rollen, die sich an seinem Wagen zu schaffen machen. Schnitt. Selbiger Mann steht in der Unterhose neben seinem Auto und schlüpft in Beinkleider. Es ist Burkhard Wagner (Jens Harzer). Ein Mann mit vielen Talenten. Er kann beispielsweise Papier zählen, indem er es an seinem Ohr auffächert (wie es Menschen in Filmen sonst mit Geld machen). Durch diese einfache Handlung weiß er, wie viele Policen er noch verkaufen muss. Das ist natürlich auch metaphorisch zu verstehen, denn die Policen symbolisieren das Abtragen von Schuld. Gegenüber seiner Frau, seinen Kindern und ungeborenen Kindern ... Dieses Mal will er es schaffen. Versprochen ist versprochen.

Ihm ist beim Verkauf jedes Mittel recht. Er spielt seinen Kunden Theater vor. Stopft widerliche Nahrung in sich hinein, die ihm von potenziellen Kunden serviert wird; verfolgt seine Opfer bis sie ermattet aufgeben, treibt sie fast in den Wahnsinn, oder schmeichelt sich bei ihnen ein. Für eine Unterschrift tut er alles. Die Konsequenzen interessieren ihn nicht. Verkauft ist verkauft! Persönliche Schicksale zählen nicht, denn er ist auf der Flucht. Raucht, fährt, raucht, telefoniert, raucht, quatscht, lacht affig, verkauft, raucht, fährt. (Ja, er fährt und fährt, denn das macht aus Sicht des Regisseurs ein Roadmovie aus). Nur leider laugt ihn der Job, also die Lebensflucht, derartig aus, dass er nicht einmal mehr wie ein normaler Mann reagieren kann. Als eine Prostituierte ihre Brüste an das Seitenfenster seines Autos presst, meint er, dass einzige was bei ihm noch hochführe, sei die Rückenlehne.

Trickreich: Das Dargestellte soll dem Zuschauer die Qualen des Protagonisten nicht nur versinnbildlichen, sondern ihn mit in den Strudel aus Leid, Schmerz und Ausweglosigkeit hinabziehen. Nach dem Motto hier ist die Kinokarte noch ihr Geld wert - hier wird der Zuschauer fürs Sehen bestraft. Und tatsächlich ist es schmerzhaft dabei zuzusehen, wie gerne Regisseur Bület Akinci französisches Kino gemacht hätte. Aber naturalistische Kulissen gepaart mit Dialogen wie aus dem Lehrbuch für Autorenfilmer ergeben noch kein französisches Kino und der Lebensversicherer bleibt verfilmtes Papier.

Und hier endet die Besprechung, denn nach einer guten Stunde verlasse ich die Pressevorführung. Eine endgültige Bewertung (nach Punkten) muss entfallen.
Filmkritik: Thomas Maiwald


Land: Deutschland
Jahr: 2006
Laufzeit ca.: 101
Genre: Spielfilm
Verleih: Zorro Film
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 07.12.2006

Regie: Bülent Akinci
Drehbuch: Bülent Akinci

Schauspieler: Jens Harzer (Burkhard Wagner ) • Marina Galic (Carolin Wagner) • Anna Maria Mühe (Heike) • Christian Blümel (Charlie) • Mehdi Nebbou (Rachid) • Tom Jahn (Walter Rösler) • Eva Mannschott (Frau Hufschmidt) • Oliver Marlo (Herr Hauser) • Birgit Funke (Busfahrerin) • Patrizia Moresco (Frau Wokalek) • Hussi Kutlucan (Herr Wokalek) • Daniel Jeroma (Autowäscher) • Lukas Weerts (Philippe) • Thomas Bartholomäus

Produktion: Gerhard Meixner • Roman Paul
Szenenbild: Benedikt Lange
Kostümbild: Dagmar Fabisch
Maskenbild: Iris Jäger
Kamera: Henner Besuch
Musik: Wim Mertens
Schnitt: Tina Baz • Inge Schneider

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Bild: Zorro Film

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