Wehe, wenn ein beschauliches französisches Dorf Flüchtlinge aufnehmen soll. Die einen setzen auf Willkommenskultur und die anderen darauf, dass der Spuk möglichst schnell vorübergeht. Weder der eine noch der andere Wunsch geht in Erfüllung.
Joëlle Lesourd, die Lehrerin des kleinen französischen Dorfes Paimpont ist die treibende Kraft hinter der hehren Idee, im Dorf Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Doch weil alle ukrainische Flüchtlinge wollen, bleibt für Paimpont nur eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien übrig. Hauptsache, die Gemeinschaft kann beweisen, das Herz am rechten Fleck zu haben und christliche Nächstenliebe walten zu lassen. Wie gut, dass auch ein Fernsehteam anwesend ist, das über die Gutmenschen berichten wird.
Doch schon die Ankunft der Migranten verläuft unsauber. Jemand hat auf das Haus, das die Gemeinde zur Verfügung stellt, einen Schriftzug geschmiert, dass Barbaren hier nicht willkommen sind. Die Syrer wie auch die Franzosen sehen darüber hinweg und man ist bemüht, gute Miene zu machen. Die Sprachbarriere ist nicht so hoch wie erwartet, weil die Syrer im Flüchtlingslager einige Sätze Französisch gelernt haben.
Nun ist es an der Zeit, dass die Dorfgemeinschaft sich neu einpendelt und die Migranten ein Teil davon werden. Das funktioniert teils aus ersichtlichen und aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht. Die Franzosen wollen die Lage der Syrer nicht verstehen, die im Gegensatz zu den Franzosen tolerant sind. So bekommt der anfangs leichte Schwank einen politischen Einschlag. Die Dörfler geben ihre Sichtweisen preis und das erzeugt Druck, unter dem die Masken fallen.
Kritik
Das Publikum profitiert im Idealfall von der Reibung in Komödien. Leider ist die Fallhöhe gering in "Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne". Da soll es lustig sein, dass die Syrer Flüchtlinge zweiter Klasse sind. Über Joëlle kursieren Gerüchte. Weil sie allein lebt, soll sie lesbisch sein. Außerdem Jüdin. Aber nein. Joëlle ist nicht reich und eine Jüdin würde keine arabischen Flüchtlinge ins Dorf holen. So simpel wie der Humor ist auch der dramatische Teil gestrickt. Das Drehbuch verzichtet auf eine Ausarbeitung der Charaktere. Lehrerin Joëlle hat keinen Mann abgekriegt und ist darum engagiert. Selbstverständlich funkt es zwischen ihr und dem Flüchtlingshelfer. Dasselbe gilt für die Wirtin des Ortes und den syrischen Großvater. Sie kann nicht kochen und ihr Restaurant floriert nicht. Erst als er Crêpes syrischer Art backt, brummt das Geschäft. Liebe geht durch den Magen, der Rest findet sich. Die syrische Ärztin hilft dabei, ein französisches Kind auf die Welt zu bringen, und das Mädchen bekommt aus Dank den Vornamen der Syrerin. Das passt dem Vater des Kindes nicht. Der ist dabei, ins rechte Milieu abzurutschen. Seine Frau droht mit Scheidung und ein Jahr später ist sie wieder schwanger. Fall gelöst.
Es treten Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen auf. So spielt Albert Delpy einen alten Querkopf, der mit seinen linken Ansichten viel mehr Möglichkeiten bietet, als ausgeschöpft werden. Zudem prallen weder die Kulturen noch die politischen Einstellungen derart aufeinander, dass es Spaß macht dabei zuzusehen. Stattdessen münden Konflikte in Völkerverständigung und Paarbildung. Derart verschenkt der Film sein Potenzial, setzt auf müde Klischees. Die dralle Frau des Metzgers hat eine Affäre mit dem Lebensmittelhändler. Die Händlerin weiß davon, lässt sich scheiden, entsagt dem Alkohol und verwirklicht sich selbst, besetzt eine freigewordene Stelle. Die bisherige Lehrerin hat das Land aus juristischen Gründen verlassen und endlich einen Mann gefunden.
Die Syrer sind gebildet. Er ist Architekt, seine Ehefrau ist Grafikdesignerin und seine Schwester ist Ärztin. Selbstredend ist die syrische Großfamilie tolerant. Wenn die Tochter beziehungsweise Enkelin einen französischen Verehrer hat, dann erfreut es das Herz des Großvaters. Vater Marwan hat dazu und insgesamt wenig zu sagen. Zu einer Rolle mag das Drehbuch seine Figur nicht entwickeln. Schade. Ansonsten fällt auf, dass die Menschen, wie in anderen Filmen, die Julie Delpy verantwortet, mehr reden als spielen. Das freut die Synchronsprecherinnen und Sprecher.
Fazit
Die Komödie "Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne" bringt Potenzial mit, das sie auf der ganzen Linie mit einem faulen Drehbuch verschenkt. Leider ist das Werk weder geschliffen noch bissig. Der lahme Humor des ersten Aktes weicht weichgespülten politischen Ansichten, die das Publikum belehren möchten. Auch wenn der Kritiker die linksliberale Einstellung teilt, bedarf er keiner Erinnerung. Das Happy End, in dem sich alle lieb haben, ihren Traum verwirklichen oder den Traummann finden, siedelt auf Fernsehniveau.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 104
Genre: Drama • Komödie
Verleih: Weltkino
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 26.06.2025
Regie: Julie Delpy
Drehbuch: Julie Delpy • Matthieu Rumani • Nicolas Slomka • Léa Doménach
Schauspieler: Julie Delpy (Joëlle Lesourd) • Sandrine Kiberlain (Anne Poudoulec) • Laurent Lafitte (Hervé Riou) • Ziad Bakri (Marwan Fayad) • Jean-Charles Clichet (Sébastien Lejeune) • India Hair (Géraldine Riou) • Dalia Naous (Louna Fayad) • Mathieu Demy (Philippe Poudoulec) • Marc Fraize (Johnny Jannou) • Rita Hayek (Alma Fayad) • Fares Helou (Hassan Fayad) • Emilie Gavois-Kahn (Marylin Legall) • Albert Delpy (Yves Auteuil) • Brigitte Roüan (Jacqueline Moulin)
Produktion: Michael Gentile
Kostümbild: Flora Pascottini
Maskenbild: Sylvia Carissoli • Jane Milon • Christophe Oliveira
Kamera: Georges Lechaptois
Musik: Philippe Jakko
Schnitt: Camille Delprat
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Bild: Weltkino