Hierankl

Kinoplakat Hierankl

Der Münchner Hauptbahnhof als Scheideweg. Lene überlegt, soll sie nach Berlin fahren? Dorthin ist sie vor fünf Jahren geflohen, hat ihre Familie seitdem nicht mehr gesehen. Sie entschließt sich gen Süden zu fahren - nach Hause.

Während eines Halts in Rosenheim beobachtet sie einen Mann, der sich herzlich von einer Frau verabschiedet. Dieser Mann setzt sich auf den Platz, auf dem Lene saß, es ist der Vater und die Begrüßung fällt sehr herzlich aus. Das genaue Gegenteil ist die Begegnung zwischen Mutter und Tochter. Wie Feindinnen stehen sich die Frauen gegenüber. Das Idyll ist längst gebrochen - wenn es jemals existierte. Das unterstreichen unruhige, hektische Bilder, die von Unschärfe zu Schärfe zoomen sowie hektische Schnitte.

In der Umgebung des Einödhofs Hierankl sucht Lene die Orte ihrer Kindheit wieder auf, entdeckt die kleinen Schätze neu. Doch mit den Erinnerungen platzen die alten Verletzungen wieder auf. Ihre Eltern seien wie zwei Ozeanriesen, die langsam voneinander wegdriften, hat ihr der Vater erklärt. Er hat eine Geliebte in Rosenheim und die Mutter hat ein Verhältnis mit Vinzenz. Ausgerechnet mit dem Mann, der der beste Freund ihres Bruders war. Paul wiederum hat ein angedeutetes homoerotisches Verhältnis mit Vinzenz (gehabt) und hegt durchaus erotische Empfindungen für seine Schwester.

Der 60ste Geburtstag des Vaters ist für die Kinder Lene und Paul Anlass genug wieder auf Hierankl aufzutauchen. So unvermittelt wie Lene erscheint auch Götz. Für den Vater der Jugendfreund, den er 30 Jahre lang nicht mehr sah. Für Lene ein eine willkommene Gelegenheit zu beweisen, dass es auf der Alm doch Sünde gibt.
Zur Geburtstagsfeier hat Mutter Rosemarie auch die Geliebte ihres Mannes eingeladen, die sie der Gesellschaft vorstellt. Daraufhin platzen die letzten noch tickenden Zeitbomben. Rosemarie bricht zusammen und gesteht, Götz war nicht nur der Freund ihres Mannes, sondern auch ihr Liebhaber. Lene ist geschockt und flieht. Götz, der ihr folgt, weiß noch nicht, dass er ihr Vater ist. Lene fleht ihn an nochmals mit ihr zu schlafen. Nach dem Koitus gesteht sie ihm die Wahrheit. Der ist geschockt. Kurz darauf zerbricht die Freundschaft zwischen Paul und Götz.

Kritik

"Hierankl" soll nach Aussage des Regisseurs ein Heimatfilm sein. Tatsächlich spielt der Film in lieblicher Alpen-Kulisse. Die Handlung könnte allerdings ebenso gut in einer kleinen Wohnung in einer Hochhaussiedlung spielen, denn sie spielt vor der Kulisse und nicht darin. Die schroffe Inszenierung ist ein modernes Theaterstück. Querelen aus der Kindheit kommen zur Sprache. Sie werden nicht gelöst, der Grund nicht gefunden. Da die Menschen kaum eine andere Definition erleben als über Konflikte, müssen immer neue Ungeheuerlichkeiten aufgedeckt werden. Die Tochter verführt den ehemaligen Liebhaber ihrer Mutter, weil sie glaubt, die Mutter gönne ihr das Glück nicht. Der Bruder hat oder hatte eine homoerotische Beziehung zu seinem Freund, der jetzt der Liebhaber der Mutter ist und mit den noch verheirateten Eheleuten unter einem Dach wohnt. Zugleich erzählt er vom erotischen Traum, in dem er mit der Schwester schlief und kuschelt sich im Bett neben sie.

Der Stoff reicht aus, um ein ganzes Dorf mit Skandalen zu versorgen, konzentriert sich aber auf eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Je länger der Film andauert, desto überfrachteter wird er. Die guten Darsteller können die Mankos des Drehbuchs nicht ausgleichen. Stellenweise laufen die Dialoge auf Grund. "Heimatfilm", sagt Paul wiederholt und entlarvt im Film den Film als Fiktion. Um besonders böse zu wirken, reitet Tochter Lene auf dem F-Wort herum. Sie prügelt auf die Mutter ein, will sie zwingen zu sagen, was Götz mit ihr macht. Diese Szene macht den Anschein, als hätten die Schauspielerinnen während des Drehs irgendetwas ausgelebt; für den Zuschauer ist das Ergebnis nur bedingt sehenswert. Experimentelles Kino - man kann es lieben oder auch nicht.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Land: Deutschland
Jahr: 2003
Laufzeit ca.: 93
Genre: DramaHeimat
Verleih: Movienet Film
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 06.11.2003
Heimkino: 27.01.2006

Regie: Hans Steinbichler
Drehbuch: Hans Steinbichler

Schauspieler: Johanna Wokalek (Lene) • Barbara Sukowa (Rosemarie) • Josef Bierbichler (Lukas) • Peter Simonischek (Goetz Hildebrand) • Frank Giering (Paul) • Alexander Beyer (Vincenz) • Ditte Schupp (Esther) • Butz Ulrich Buse (Pfarrer) • Julia Gschnitzer (Tante Miezel) • Vroni Bittenbinder (Lene mit 9 Jahren) • Paolo Walcher (Paul mit 8 Jahren)

Produktion: Alena Rimbach • Herbert Rimbach
Szenenbild: Doerthe Komnick • Johannes Sternagel
Kostümbild: Barbara Grupp
Maskenbild: Nanni Gebhardt-Seele • Mechthild Schmitt
Kamera: Bella Halben
Musik: Antoni Lazarkiewicz
Schnitt: Christian Lonk

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Bild: Movienet Film

1 customer review

befriedigend
06.11.03
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