Die Biografie über den in Großbritannien geborenen und in der DDR aufgewachsenen Kreativen Thomas Brasch erfolgt als streng stilisiertes Kammerspiel. In schneller Folge erzählt das Drama episodisch, behandelt Stationen und Fakten, mischt Reales mit Einbildungen.
Es ist keine klassische Biografie, die da über die Leinwand flimmert, wenngleich die Handlung wichtige Stationen eines Lebens berücksichtigt. Die Filmemacher legen Wert auf Kunst und Künstlichkeit, berücksichtigen Stile wie Drama, Spannung, Romantik und Erotik. Die formalen, schwarz-weißen Bilder sind nahe an den Figuren und gleichzeitig künstlicher Naturalismus. Es gibt Nacktheit und Geschlechtsverkehr zu sehen, trotzdem ist der Zuschauer nicht der unsichtbare Dritte im Raum, sondern wie am Theater ein distanzierter Beobachter.
Die Handlung taucht nur bedingt in das Seelenleben des Schriftstellers Brasch ein. Die inneren Dämonen des anfangs rebellischen und später innerlich zerrissenen Künstlers dominieren sein Leben und die Handlung. Die untersucht nicht die Verhältnisse der Personen untereinander, sondern beleuchtet die Situation. Anders ausgedrückt treten nicht Menschen auf, sondern Rollen. Selbst ein Gespräch am Kaffeetisch zwischen Familienmitgliedern wird hier zur Grundsatzdiskussion. Das wird von den gestochenen Dialogen unterstrichen, die nie klingen wie abgefilmtes Leben, sondern wie Wortgefechte oder verfilmte Poesie.
Das Szenenbild verzichtet auf Variationen und zeigt Brasch auffällig oft hinter seiner Schreibmaschine, mal mit Zigarette und mal ohne. Der Autor zitiert dann gedanklich aus seinen Werken. Das lebendige Bild eines Menschen ergibt die Inszenierung nicht und es wird im Kritiker kein Interesse an der Person Brasch geweckt. Die behandelten Konflikte, wie ein autoritärer Vater, Zweifel am politischen System und Sucht, sind allgemein gehalten und zeichnen kein scharfes Bild des Hauptdarstellers.
Die Darstellenden agieren insgesamt gut. Etwas klischeehaft fällt die Zeichnung der Staatstreuen aus, die an Nazis erinnern und der menschelnde Erich Honecker.
Fakten wie die Stasi bleiben Randerscheinungen. So hört die Staatssicherheit das Gespräch zwischen Thomas Brasch und Eric Honecker ab, ohne die Dramatik des Vorgehens hervorzuheben.
Einige Darstellungen verwundern. In der Realität war Horst Brasch, der Vater von Thomas Brasch, SED-Parteifunktionär und stellvertretender Minister für Kultur der DDR. Vielleicht hat die Familie tatsächlich in derart bescheidenen Verhältnissen gelebt. Die kleine Wohnung im Film verwundert.
Fazit
Die filmische Biografie über Thomas Brasch ist ein Kunstprodukt, dem Bandbreite fehlt. Es setzt voraus, dass Zuschauerinnen und Zuschauer ein Interesse an der Handschrift mitbringen, denn hinter ihr tritt der Inhalt zurück, der anschaulich verdeutlicht, dass Menschen Individuen sind. Die kopflastige Inszenierung ist eine Geschmacksfrage und die Lauflänge fordert. Es steht die Frage im Raum, ob eine Umsetzung als Theaterstück oder ein Fernseh-Zweiteiler nicht die bessere Wahl gewesen wären?
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Laufzeit ca.: 150
Genre: Biografie • Drama
Verleih: Wild Bunch
FSK-Freigabe ab: 16 Jahren
Kinostart: 11.11.2021
Heimkino: 07.04.2022
Regie: Andreas Kleinert
Drehbuch: Thomas Wendrich
Schauspieler: Albrecht Schuch (Thomas Brasch) • Jella Haase (Katarina) • Ioana Iacob (Sanda) • Jörg Schüttauf (Vater Horst Brasch / Erich Honecker) • Anja Schneider (Mutter Gerda Brasch) • Joel Basman (Klaus Brasch) • Emma Bading (Silvia) • Peter Kremer (Thomas Brasch (56 Jahre)) • Claudio Magno (Klaus Brasch (11 Jahre)) • Zoë Valks (Jean) • Paula Hans (Bettina) • Marlen Ulonska (Filmdozentin HFF)
Produktion: Michael Souvignier • Till Derenbach
Szenenbild: Myrna Drews
Kostümbild: Anne-Gret Oehme
Maskenbild: Uta Spikermann • Grit Kosse
Kamera: Johann Feindt
Ton: Andreas Walther
Musik: Daniel Michael Kaiser
Schnitt: Gisela Zick
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Bild: Wild Bunch