"Der kleine Prinz" ist einer der Fälle, in denen das Werk bekannter ist, als der Autor. Die Bekanntheit des Buches nutzt der Film zur Werbung. Eine riskante Entscheidung.
Der Name Antoine de Saint-Exupéry ist mit seinem berühmtesten Werk "Der kleine Prinz" untrennbar verbunden. Das Drama schätzt den Fall anders ein und Kinogänger sollten den zweiten Teil des Bandwurmtitels "Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen" wörtlich nehmen, denn im Abenteuerfilm ist der Hauptdarsteller kein Schriftsteller und die Entstehung seines Werkes wird nicht thematisiert.
Die Handlung beginnt im Jahr 1930 in dem Saint-Ex, wie er durchgängig genannt wird, für die argentinische Luftpost als Pilot arbeitet. An seiner Seite sein bester Freund Henri Guillaumet. Weil der Direktor der Gesellschaft, von dem wir nur die Stimme hören, eine Massenentlassung ankündigt, sucht der fantasievolle Saint-Ex nach einer Lösung. Die könnte darin bestehen, die Anden nicht zu umfliegen, sondern zu überfliegen. Bislang fällt bei den Einpropellor-Maschinen in großer Höhe der Motor aus. Henri ist von der Lösung begeistert, wagt den ersten Flug und verschwindet. Saint-Ex geht auf die Suche nach dem Freund, unterstützt von dessen Ehefrau, die den Tod des Ehemannes nicht akzeptieren kann.
Kritik
Das Drama beginnt 1930 im Stil alter Abenteuerfilme: Die Menschen sind heroisch, der Himmel ist das Zuhause der Piloten. Die Kamera fängt Landschaftsaufnahmen ein. Erstaunlich: Louis Garrel als Antoine de Saint-Exupéry besitzt entweder einen Doppeldecker mit Sprachsteuerung oder Regisseur Pablo Agüero geht davon aus, dass Männer im Abenteuer gerne und viel schreien. Zu begrüßen wäre es gewesen, wenn Hauptdarsteller Garrel sich einige Gesichtsausdrücke mehr abgerungen hätte, denn der von ihm gespielte Held ist enttäuschend ausdrucksarm. Die Lust aufs Abenteuer steht ihm nicht ins Gesicht geschrieben. Ausdrucksstärker tritt Vincent Cassel als Henri Guillaumet auf. Auch Diane Kruger als Noëlle Guillaumet mimt besser als in ihren frühen Filmen.
Leider fehlt es den Personen durchgängig an Charakterzeichnung. Besonders schade ist, dass die Hauptfigur Antoine de Saint-Exupéry so mager gezeichnet ist. Außer Kettenrauchen hat er keine Vorlieben, keine Beziehung und abgesehen von Henri keine Freunde. Es muss genügen, dass heroische Männer für die Aufgabe sterben und, im Fall von Henri, von heldenhaften Frauen geliebt werden. Klassisch, aber dürftig.
Eigenartig ist, dass die Freundschaft der Männer die Triebfeder bildet und eine Nebensache bleibt. Viel schwerer wiegt die Erfüllung der Pflicht. Und darunter fällt auch, das Leben eines Freundes zu retten.
Reale Begebenheiten fehlen. Antoine de Saint-Exupérys Hochzeit des Jahres 1931 spart der Film aus, dass der Mann hauptberuflich Schriftsteller gewesen ist ebenfalls. Malen kann er nicht, sondern nur kritzeln. Er ist von Beruf Pilot, fantasiebegabt und tollkühn. Diese Darstellung kann je nach eigener Erwartung eine Enttäuschung sein. Nicht zuletzt, weil das Buch "Der kleine Prinz" im Film keine Rolle spielt.
Einige Szenen zeigen mögliche Inspirationen für das Buch. Da erinnert eine Insel an einen Hut, ein Schaf und eine Schlange kommen ins Bild. Ein Blick auf den Mond fehlt auch nicht und mehrfach trägt Saint-Ex unmotiviert einen Schal. Ob der kleine Prinz vielleicht eine kleine Prinzessin zum Vorbild hatte, deutet der Film an, legt sich darauf jedoch nicht fest.
Auffällig ist das Stilmittel der Wiederholung. Die Oneliner wiederholen gerne. Beispielsweise: Saint-Ex für Henri. Saint-Ex für Henri. Saint-Ex für Henri. Auch die Aufnahmen wiederholen, wodurch die Kameraperspektiven abnutzen, zudem zeigen sie zu viele Aufnahmen, in denen Saint-Ex ähnlich handelt. Gefallen kann die Idee, dass Geräusche der Umgebung mit der Musik verschmelzen; wobei die Szene mit dem Tanz und dem klatschenden Seehund sehr an eine Zirkusnummer erinnert.
Fazit
Die Bilder sind groß, für die Handlung gilt das Gegenteil. Die greift einen kurzen Zeitraum aus dem Leben von Antoine de Saint-Exupéry heraus, endet mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der in der Kürze der Darstellung angeflickt wirkt. Als Abenteuer fehlt es "Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen" enttäuschenderweise an Größe und am packenden Moment. Vielmehr lässt die Dramaturgie an eine überlange Pflichtübung denken. Den Piloten und Schriftsteller auf einen Abenteurer zu reduzieren, ist dichterische Freiheit und nicht gut gelungen. Hauptdarsteller Louis Garrel lässt es an Strahlkraft fehlen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 98
Genre: Abenteuer • Biografie • Drama • Historie
Verleih: Studiocanal
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 29.05.2025
Regie: Pablo Agüero
Drehbuch: Pablo Agüero
Schauspieler: Louis Garrel (Antoine de Saint-Exupéry) • Diane Kruger (Noëlle Guillaumet) • Vincent Cassel (Henri Guillaumet) • Benoît Magimel (Le directeur de l'Aéropostale) • Yseult (La chanteuse cabaret) • Blanche Redouloux (Edda) • Gabin Malherbe (Juan Gualberto) • Noah Touzelet Fernandez (Juan Gualberto) • Natalia Doco (L'opératrice radio) • Mario Dragunsky (Nacho) • Daniel Melingo (Señor Monsalvez) • Inés Dutour (Fausse blonde)
Produktion: Julien Madon • Aimée Buidine
Szenenbild: Arnaud Roth-Charbonnel
Kostümbild: Mimi Lempicka
Maskenbild: Amélie Bouilly Garnier • Mathieu Guéraçague
Kamera: Claire Mathon
Ton: Pierre Mertens
Musik: Christophe Julien
Schnitt: Christophe Pinel
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Bild: Studiocanal