Die Liebe zwischen Orpheus und Eurydike war so groß, dass Orpheus in die Unterwelt hinabstieg, um Eurydike auf die Welt der Lebenden zurückzuholen. In der Neuverfilmung von "The Crow" heißt das Paar Eric und Shelly. Er ist nicht Sänger und Dichter, sondern ein vom Leben gezeichneter Bad Boy, der zurzeit einen Entzug durchlebt. In der Entzugsklinik trifft er Shelly, die ihm ebenbürtig ist. Sie ist auf der Flucht vor Marion und Vincent, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Mehr soll nicht verraten werden. Auch darum, weil es nicht viel mehr zu verraten gibt.
Die ersten rund dreißig Minuten vertrödelt der Film mit der Einführung der Figuren und des Themas. Shelly und Eric sind Bad Boy und Bad Girl und unsterblich ineinander verliebt. Um das zu beweisen, stellen sie flugs die wichtigsten Stellungen des Kamasutra nach. Dann steigt Shelly in die Hölle hinab und Eric erhält seine zweite Chance, weil seine Seele etwas so Grausames erlebt hat, dass sie keine Ruhe findet. Zudem soll Eric das wieder ins Gleichgewicht bringen, was aus dem Gleichgewicht geraten ist. Heißt: Marion und Vincent umbringen.
Der Vorteil daran ist, dass Eric von den Toten zurückkehrt und unsterblich ist. Der Nachteil besteht darin, dass er Shelly nicht vergessen kann und die anderen ihm trotzdem noch wehtun können. Für Eric ist die Liebe jedoch der ausschließliche Lebensinhalt, für sie wird er zum Rächer und zieht eine blutige Spur der Rache. Leider bleibt die Geschichte dabei inhaltlich auf der Strecke. Eins ums andere Mal muss Eric in Wasser untertauchen und wechselt vom Jenseits ins Diesseits. Viele Erklärungen gibt es trotz vieles Redens nicht. Der Pakt mit dem Teufel wird nicht ausgesponnen. Es verwundert, dass Eric nie in Geldnöte gerät. Auch der Unterschlupf steht "zufällig" bereit.
Die coole Idee, das abschließende Blutbad mit der Aufführung einer Oper gegen zuschneiden, ist so ausgeliehen wie viele Szenen des Horror-Films. Zudem nutzt es ab, dass der groß gewachsene Eric ständig mit halb nacktem, von Tattoos übersätem, Oberkörper herumläuft. Besser wäre es gewesen, ihm schauspielerischen Ausdruck zu entlocken. Doch davon bietet in diesem Film niemand viel. Wirklich ärgerlich ist, dass weder Eric noch Shelly interessante Figuren sind. Im Gegenteil: Beide sind langweilige Abziehbilder und sie wecken solo so viel Interesse wie als Paar. Nämlich keines.
Wohl auch deshalb setzt der Film stark aufs Visuelle. Auffällig oft ist es Nacht, regnerisch oder eine regnerische Nacht. Im brutalen Finale rückt die Kamera nahe an die Tötungen heran. Auch das geschieht, wie der gesamte Film, seltsam einfallsarm.
Fazit
Die Young Adults müssen seit einigen Jahren im Kino viel ertragen. Bei "The Crow" auch das Publikum. Die Lauflänge von nahezu zwei Stunden rechtfertigt weder das wenige Dargebotene noch die belanglosen Figuren.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 40 %
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 112
Genre: Action • Comic • Fantasy • Horror • Romantik
Verleih: Leonine
FSK-Freigabe ab: 18 Jahren
Kinostart: 12.09.2024
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: Zach Baylin • William Josef Schneider • James O'Barr
Schauspieler: Bill Skarsgård (Eric) • FKA twigs (Shelly) • Danny Huston (Vincent Roeg) • Josette Simon (Sophia) • Laura Birn (Marion) • Sami Bouajila (Kronos) • Karel Dobrý (Roman) • Jordan Bolger (Chance) • Sebastian Orozco (Dorm) • David Bowles (Wickham) • Trigga (Lex) • Samba Goldin (Jay)
Produktion: Molly Hassell • John Jencks • Edward R. Pressman • Victor Hadida
Szenenbild: Robin Brown
Kostümbild: Kurt and Bart
Maskenbild: Deb Kenton • Daniel Parker
Kamera: Steve Annis
Musik: Volker Bertelmann
Schnitt: Chris Dickens • Neil Smith
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Bild: Leonine