Whistleblower gehen in der Realität hohe Risiken ein. Nicht jeder schätzt ihr Vorgehen als für die Gesellschaft gewinnbringend ein. Im Thriller bekommen Whistleblower Hilfe. Die ist weder kostenlos noch ungefährlich.
Sarah hat ein Problem: Sie ist ein Whistleblower, der kalte Füße bekommen hat. Sie ist im Besitz von ihren Arbeitgeber belastender Unterlagen. Das findet das Unternehmen nicht lustig und setzt Sarah zunehmend unter Druck. Doch so einfach ist die Rückgabe der Dokumente nicht, denn wenn sie das Material zurückgibt, dann hat sie nichts mehr in der Hand. Darum sucht sie nach einem Ausweg. Der, so rät ihr ein Anwalt, besteht vielleicht in einer Telefonnummer. Eine unbekannte Agentur bietet in Fällen, wie dem von Sarah, manchmal Hilfe an.
Sarah ist verzweifelt und ruft die Nummer an. Tatsächlich erfolgt ein Rückruf. Nicht persönlich, sondern über den Tri State Relay Service. Dieser spezielle Service vermittelt Gespräche zwischen gehörlosen und hörenden Menschen. Sarah akzeptiert diese und weitere Bedingungen. Im Gegenzug wird ihr Hilfe versprochen. Sie soll die Unterlagen zurückgeben und Schweigegeld erhalten. Doch so einfach wie der Plan klingt, ist die Umsetzung nicht. Ein finsteres Quartett macht Jagd auf Sarah und deren Helfer.
Kritik
Der deutsche Filmtitel "The Negotiator" ist leider irreführend, denn der Mann, der Whistleblowern Hilfe anbietet, ist kein Unterhändler, sondern gibt die Bedingungen vor. Ein allein lebender Sonderling, dem es gelingt, durch perfekte Planung seine Gegner immer wieder aufs Neue auszutricksen. Dazu zählt die Nutzung des Tri State Relay Service, von dem der englische Filmtitel "Relay" abgeleitet wurde. Ash, gespielt von Riz Ahmed, spielt ein gefährliches Spiel, das er sich fürstlich bezahlen lässt. Seine Taten sind nicht wertfrei, was die Anrufe eines ehemaligen Klienten verdeutlichen, den jetzt das schlechte Gewissen plagt. Trotzdem steht Ash auf der Seite der Guten, während Sam Worthington als Dawson eine Truppe von Bösen anführt. Denen gelingt es weder mit Geschick noch mit brachialer Gewalt, Ash zu fangen. Erst eine List wendet das Katz-und-Maus-Spiel.
Das ist eine der schwachen Stellen des Films, denn sie setzt voraus, dass Ash einsam (und heterosexuell) ist. Wäre er glücklich verheiratet oder homosexuell, würde der Plot so nicht funktionieren. Ebenfalls nicht glücklich gelöst ist das große Finale. Dann wird aus dem schmächtigen Sonderling plötzlich ein Sportler. Die einzige Frau unter den Bösen entkommt und ihre Spur verliert sich.
Über die Schwächen lässt sich großzügig hinwegsehen, denn die meiste Zeit ist der Thriller "The Negotiator" das, was er verspricht: spannend. Ash gelingt es durch Tricksen und Täuschen, den zahlenmäßig überlegenen Verfolgern stets einen Schritt voraus zu sein. Er gewährt Einblicke in sein Leben – wobei nicht ganz klar ist, ob er die Wahrheit sagt. Vielleicht ist er Teil der Anonymen Alkoholiker. Vielleicht sucht er Kontakt. Einige Umstände deckt die Handlung erst spät auf, auch die entscheidende Wendung spart die Dramaturgie lange auf.
Immer wieder überraschend ist, dass die Handlung funktioniert. Etwa weil Ash zu Filmbeginn lange Zeit nicht spricht. Er tritt wie ein Gehörloser auf, beherrscht die Gebärdensprache und ist auch ansonsten wortkarg. Ein weiterer verwundernder Punkt ist der, dass die Handlung mit wenigen Stars auskommt. Was in anderen Fällen wie Low Budget wirkt, fangen die Stars hier auf.
Die Lokalitäten sind klassisch gewählt. Obwohl Ash es sich leisten könnte, lebt er in einem bescheidenen Apartment. Die Gegenseite wiederum residiert in einem gestylten Büro. Auch Sarahs Wohnung und Wohngegend ist anzusehen, dass sie Geld besitzt.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten gut. Riz Ahmed bildet den Mittelpunkt des Geschehens, spielt einen Mann, der Genie, Schutzengel ist und dabei einsam. Er möchte sich öffnen, kann es jedoch nicht, weil er befürchten muss, enttarnt zu werden. Seine Professionalität und sein Privatleben zu vereinen, ist seine Achillesferse.
Fazit
Es tut gut zu sehen, dass in dem spannenden Thriller Intelligenz über Körperkraft siegt. Das erinnert an "The Amateur" in dem ein Mann ebenfalls mit Köpfchen gewinnt.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 80 %
Land: USA
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 112
Genre: Drama • Krimi • Thriller
Verleih: Leonine
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 25.09.2025
Regie: David Mackenzie
Drehbuch: Justin Piasecki
Schauspieler: Riz Ahmed (Ash) • Lily James (Sarah) • Sam Worthington (Dawson) • Willa Fitzgerald (Rosetti) • Jared Abrahamson (Ryan) • Pun Bandhu (Lee) • Eisa Davis (Wash) • Matthew Maher (Hoffman) • Seth Barrish (Morel) • Victor Garber (McVie) • Jamil Haque (Tariq) • Jamie Ann Burke (Obdachlose)
Produktion: Basil Iwanyk • Gillian Berrie • David Mackenzie • Teddy Schwarzman
Szenenbild: Keri Lederman
Kostümbild: Alana Morshead
Maskenbild: Vanessa Anderson • Stella Bouzakis • Mara Palumbo Capps • Joshua First • Courtney Jarrell • Angelina Jerbasi • Angie Jerbasi • Anouck Sullivan • Rachael White
Kamera: Seamus McGarvey
Musik: Tony Doogan
Schnitt: Matt Mayer
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Bild: Leonine