Charlie Heller hat ein Problem. Seine Frau Sarah ist bei einem Anschlag getötet worden und er sinnt auf Rache. Allerdings ist er ein Kopfmensch und kein Attentäter. Dementsprechend muss er einen unkonventionellen Weg finden.
Anfangs ist Charlie eine graue Maus. Ein Mann, der gutbürgerlich lebt und als unauffälliger Mensch für die CIA Dokumente dechiffriert. Eines Tages steht er vor einem Scherbenhaufen und sieht nur noch einen Ausweg: Rache!
Kritik
Der Titel des Thrillers ist irreführend, denn der Hauptdarsteller ist kein Amateur in dem Sinne, dass er als Hobby etwas betreibt, was andere beruflich machen. Vielmehr ist er als Killer ein Laie. Ihm fehlt die Physis, um einen anderen Menschen mit bloßen Händen zu töten, und er schafft es nicht, eine Pistole abzudrücken. Er könnte ein Giftmörder werden – setzt aber lieber seinen Verstand ein. Zudem hilft ihm das Talent als Hacker. Kein Sicherheitssystem ist vor ihm sicher. Egal, ob es die Überwachungskamera eines Hotels oder im öffentlichen Raum ist. Auch Steuerungssysteme überwindet Heller mit Leichtigkeit. Damit modernisiert der Film das Genre des Rache übenden Mannes. Es ist nicht mehr der brutale Macho, der eine Schneise der Verwüstung zieht, sondern ein Schreibtischtäter.
Die Handlung ist überwiegend spannungsreich, fällt jedoch in das eine oder andere Spannungstief. Ansprechend umgesetzt sind die geplanten Morde, bei denen Heller meist einen Schritt voraus ist. Um den Druck zu erhöhen, ist ihm ausgerechnet sein Arbeitgeber, die CIA, auf den Fersen und versucht, ihn auszuschalten. Eine weitere Bewandtnis für diesen Handlungsstrang deckt der Film erst am Schluss auf. Dann präsentiert sie Sündenböcke (ganz korrekt einer schwarz und einer weiß) und zeigt auf, dass die CIA als solche aufseiten der Guten steht. Und so wird auch das nicht nachvollziehbare Urteil über Charlie gerechtfertigt.
Die Action nimmt einen geringeren Stellenwert ein, als zu vermuten steht, und die Kämpfe überzeugen nur bedingt. Einer arbeitet mit Blitzschnitten und es ist fast unmöglich zu erkennen, wer gerade in der Waschküche austeilt. Ebenfalls nicht überzeugend ist der eingestreute Sex-Appeal. Einer der Killer tritt in einer Badehose auf und ist ein Bodybuilder. Die Szene im Swimmingpool verfehlt nicht ihren Reiz (schon durch die Architektur) und doch bleibt die Erotik aufgesetzt. Ärgerlich ist der Einsatz einer Handkamera, die die Dramatik durch wackelige Bilder unterstreichen soll.
Warum die Bösen kaum auf den Rachefeldzug reagieren erstaunt. Im Psychoduell zwischen Michael Stuhlbarg als Schiller und Rami Malek als Charlie Heller fehlt es an Spannung. Außerdem ist Stuhlbarg seltsam besetzt, erinnert mehr an einen Familienvater als an einen eiskalten Verbrecher.
Zudem ist es unglaubwürdig, wo sich überall Überwachungskameras befinden oder ausgerechnet nicht und wie leicht Technik gehackt werden kann. Charlie hat etwa ein ihm unbekanntes Krankenhaus betreten. Wenige Minuten später fallen alle Computer im Krankenhaus aus. Woher Charlie wusste, wie die Informationstechnik zu knacken ist, bleibt offen. Als Kopfmensch trägt er gelegentlich eine Brille, die ihn als solchen ausweist. Konsequent umgesetzt ist das Tragen der Brille nicht. Dass ein Mensch wie Charlie ein Fitnessstudio besucht und dort trainiert ist denkbar, scheint allerdings unwahrscheinlich. Doch in einer Szene, in der Rami Malik unmotiviert halb nackt ist, ist zu sehen, wie muskulös und durchtrainiert der Schauspieler ist. Als Charlie bekommt er Unterstützung von einer attraktiven Frau, die dann aus dem Leben scheidet, wenn er ihre Hilfe nicht länger benötigt.
Rami Malik ist in der Rolle sympathisch, aber die überwältigende Emotion, die einen Menschen alles vergessen lässt, spielt er nicht, ebenso wenig zeigt er, dass der Durst nach Rache sein Leben bestimmt. Er bleibt zu ruhig und überlegt, teils geht er naiv vor. Um das zu verdeutlichen, steht ihm kurzfristig Laurence Fishburne als Henderson zur Seite, der wie ein schnaubender Stier einen klassischen Typus darstellt. Selbstverständlich lassen Charlie Hellers Gedanken nicht von der Frau ab, die ihm entrissen worden ist. In seiner Fantasie ist sie noch an seiner Seite. Das sind klassische Momente, die Rachel Brosnahan als Sarah nicht überzeugend spielt.
Ein eigenartiger Widerspruch besteht für den Kritiker darin, dass der Film einerseits insofern realistisch bleibt, indem Rami Malek als Killer keine übermenschlichen Fähigkeiten hat. Was an "Jason Bourne" denken lässt. Zugleich sind die Hacker moderne Götter, die überall in Windeseile eindringen. Was wiederum unrealistisch anmutet.
Fazit
Im Kern ist "The Amateur" ein klassisches Rache-Drama mit einem sympathischen Hauptdarsteller, der zu wenig Emotionen zeigt. Rami Maleks Rächer arbeitet mit Köpfchen. Die Weltreise führt ihn an Orte wie Istanbul, die in den USA wohl als exotisch gelten. Die CIA macht Fehler, hält jedoch den eigenen Stall sauber und ist damit aufseiten der Guten. Regisseur James Hawes ("One Life") hat wenig Erfahrung mit Kinofilmen und viel mit Fernsehfilmen. Das ist dem Krimi anzumerken.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %
Jahr: 2025
Laufzeit ca.: 122
Genre: Action • Krimi • Thriller
Verleih: Walt Disney
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 10.04.2025
Regie: James Hawes
Drehbuch: Ken Nolan • Gary Spinelli • Robert Littell
Schauspieler: Rami Malek (Heller) • Rachel Brosnahan (Sarah) • Jon Bernthal (The Bear) • Evan Milton (Slater) • Nick Mills (Finn) • Tiffany Gray (Esther) • Adrian Martinez (Carlos) • Kate Sumter) (Channel 6 Anchor) • David Mills (NBNC Anchor) • Anita Anand (CNC Anchor) • Holt McCallany (Director Moore) • Julianne Nicholson (Director O'Brien)
Produktion: Rami Malek • Joel B. Michaels • Hutch Parker • Dan Wilson
Szenenbild: Maria Djurkovic
Kostümbild: Sophie Phillips
Maskenbild: Parmjit Barker • Gokhan Horzum • Natasha Vincent • Pippa Woods • Eyesha Yates
Kamera: Martin Ruhe
Musik: Volker Bertelmann
Schnitt: Jonathan Amos
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Bild: Walt Disney