Nach ihrer Herkunft gefragt, antwortet Araweelo, dass sie aus Paradise kommt. Die Bankerin antwortet, dass wir alle dem Paradies entstammen. Doch die Antragstellerin meint damit das Dorf Paradise. Den Kredit, um ihre Schneiderei zu eröffnen, wird sie nicht bekommen, denn dazu müsste sie verheiratet sein. Und ihr Bruder Mamargade, der als Tagelöhner arbeitet, taugt nicht als Bürge.
Araweelo wird einen anderen Weg finden müssen. So wie es die Menschen des Dorfes gewohnt sind. Irgendwie wird es weitergehen. Mamargade muss eine Lösung finden, seinem Sohn eine Schulbildung zu ermöglichen, obwohl die Schule des Dorfes gerade geschlossen worden ist. Und morgen ist auch noch ein Tag.
Kritik
Die Kamera folgt einer überschaubaren Anzahl an Personen während ihres Alltags. Die Geschwister Araweelo und Mamargade bewohnen eine kleine Hütte, gemeinsam mit Mamargades Sohn Cigaal. Von ihnen strahlt die Handlung zu weiteren Menschen aus, arbeitet Szenen ab. Die Dramaturgie tritt in den Hintergrund, den Schwerpunkt des Films bildet die Beobachtung. Gerne ruht die Kamera auf den Gesichtern seiner Laiendarstellerinnen und -Darstellern, die leider für deutsche Verhältnisse wenig ausdrücken. In Gesprächen legen sie mehrere Sekunden Pause ein, ehe sie antworten. Dadurch ziehen sich Dialoge quälend langsam dahin. Was auch die Handlung als solche betrifft. Die Menschen bewegen sich in gemächlicher Ruhe.
Ihre Auseinandersetzungen bleiben ohne Konsequenzen. Araweelo beschuldigt ihren Bruder, Geld gestohlen zu haben. Der streitet ab und gibt den Diebstahl schließlich zu. Araweelo droht damit, die Hütte zu verlassen. Mamargade lässt das kalt. Der Film arbeitet auch nicht heraus, warum der Mann notorisch lügt. Ist es sein Naturell? Die Mentalität der Menschen? Bedauernswert auch, dass eine Einordnung in weitere Bezüge fehlt. Araweelo sagt sinngemäß: Wir schaffen das als Familie. Dabei leben die zwei Erwachsenen nebeneinanderher, denn es fehlt ein Ausleuchten der Beziehungen der Menschen. Wenn Mamargade vergisst, seinen Sohn von der Schule abzuholen, dann ist der Junge enttäuscht. Er erfährt von einem Mitschüler, dass dessen Eltern tot sind. Punkt. Warum erfährt das Publikum das? Wahrscheinlich, damit das Drehbuch einen weiteren Punkt abgearbeitet hat. Nach 133 Minuten, die sich länger anfühlen, endet das Drama und hat die Aspekte aufgezeigt, die Mo Harawe (Drehbuch und Regie) wichtig waren. Die politische Lage des Landes thematisiert die Einführung des Films, anschließend verzichtet er auf ein in Bezug setzen. Eine überschaubare Anzahl an Personen ist aufgetreten. Eine Teilhabe an ihrem Alltag gab es, einen Einblick in ihr Seelenleben nicht.
Den Eindruck einer lebendigen Dorfgemeinschaft vermittelt das Geschehen nicht. Wie gedenkt Araweelo als Schneiderin mit so wenig Kundschaft zu überleben? Eine klassische Dramaturgie hat das gleichförmige Werk nicht entwickelt. Es könnte doppelt so lang ausfallen oder auf erträgliche 90 Minuten gekürzt werden. Zu loben sind daran die Kameraführung und der Verzicht auf eine Darstellung von Opfern. Die Menschen leiden nicht unter den Herausforderungen des Lebens und leben in auffällig sauberen Hütten und Häusern.
Fazit
Mo Harawe stellt mit "The Village Next to Paradise" seinen ersten Langfilm vor, mit eindeutigen Stärken und Schwächen. In ansehnlichen Bildern arbeitet der Film ein Konzept ab. Aufgrund der Erzählweise ist es möglich, vieles im Film zu interpretieren. Araweelo wird aktiv, ihr Bruder und Jama bleiben passiv. Sollen sie sinnbildlich für Männer und Frauen stehen? Der Kritiker möchte das nicht einordnen. Im Drama können Menschen oder Strukturen interessant sein. In diesem Fall ist es weder das eine noch das andere.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 20 %
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 134
Genre: Drama
Verleih: eksystent distribution
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 30.01.2025
Regie: Mo Harawe
Drehbuch: Mo Harawe
Schauspieler: Ahmed Ali Farah • Anab Ahmed Ibrahim • Ahmed Mohamud Saleban • Axmed Cabdillahi Ducaale • Maxamed Xaaji Cabdi Faarax • Maxamed Axmed Maxamed • Maxamed Maxamuud Jaamac
Produktion: Sabine Moser • Oliver Neumann
Szenenbild: Nuur Abdulkadir
Kostümbild: Sarah Ismail
Maskenbild: Fatuma Yussuf
Kamera: Mostafa El Kashef
Ton: Willis Abuto • Anne Gibourg • Guadalupe Cassius • Christophe Vingtrinier
Schnitt: Joana Scrinzi
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Bild: eksystent distribution