Vermiglio

Kinoplakat Vermiglio

Der Zweite Weltkrieg ist so weit entfernt vom italienischen Bergdorf Vermiglio, dass seine Auswirkungen kaum eine Rolle spielen im harten Alltag der Menschen. Erst die Ankunft eines Deserteurs bringt das Gleichgewicht durcheinander. Es eröffnen sich Möglichkeiten und es bieten sich Fallstricke.

Familie Graziadei lebt im italienischen Bergdorf Vermiglio. Das karge Leben folgt festen Regeln, der ausklingende Zweite Weltkrieg ist weit weg. Eines Tages kehrt Attilio als Deserteur zurück samt seinem Retter Pietro. Den nennen die Einheimischen den Sizilianer und weisen ihm damit seinen Platz in der Dorfgemeinschaft zu. Lucia Graziadei, die älteste Tochter der großen Familie, findet Gefallen an Pietro – und der erwidert die Liebe. Das bringt Unruhe in die Familie mit acht Kindern, über die der Vater als Patriarch herrscht. Er ist auch der Dorflehrer und sein Wort ist Gesetz.

Kritik

Die große Überschrift des Filmes lautet: Frauen und ihre Schicksale vor dem ausklingenden Zweiten Weltkrieg. Möglichst viele Lebensentwürfe hat Maura Delpero (Drehbuch und Regie) in das Drama gepackt, dessen enger Fokus auf der Großfamilie liegt. Deren Alltag verläuft nach eingespielten Regeln oder besser gesagt ungeschriebenen Gesetzen. Arbeiten, beten und Kinderkriegen bedeutet es für die Mutter. Ihren Töchtern könnte es bessergehen. Doch nur für eine schulische Laufbahn reicht das Geld. Entscheidet der Vater. Die restlichen Kinder müssen andere Wege gehen. Feldarbeit oder Kloster lauten die Alternativen. An diesem Punkt würden die Frauen in einem anderen Drama rebellieren beziehungsweise den Ausbruch anstreben. Doch nicht in dieser Erzählung. Hier kämpfen die Frauen nicht um ihre Rechte. Stattdessen erfüllen sie die ihnen zugedachten Rollen – teils still leidend. Das Schicksal ist gottgegeben.

Andeutungen laufen leider ins Leere. Da keimt eine lesbische Liebe auf und verebbt. Der Vater versteckt in seinem Schreibtisch eine Sammlung erotischer Fotografien. Kurzfristig ist er feinsinnig und Musik liebend. Der interessante Anflug verpufft. Es fehlen leider die privaten Momente, in denen Menschen ihre Seele ausschütten. Schade auch, dass die räumliche Enge und das Fehlen von Privatsphäre nicht genutzt werden.

Das Schöne am kammerspielartigen Drama ist die Kargheit, die von der Landschaft auf die Menschen übergeht. Ihren harten Alltag bewältigen die Menschen oft wortkarg. Abends im Bett erzählen Fragen, was die Dialoge aussparen. Das passt ins Gesamtbild, hat jedoch den Nachteil, dass die Innenschau fehlt. Feststehende Charaktere lassen in ihre Leben blicken und erinnern dadurch an ein Museumsdorf. Teils bleiben auch die Beziehungen der Menschen untereinander unklar. Damit fehlt dem optisch ansprechenden Film, was im Jahr 2025 zu erwarten steht. Wer ins Kino geht und eine Innenschau erwartet, geht leer aus.

Die Kamera folgt den Menschen bei ihren alltäglichen Verrichtungen. Den Haushalt bewältigen, das Vieh versorgen sowie gelegentlich ein Fest feiern. Die Rollen sind klar definiert. Wer sündigt, muss dafür büßen. Die Szenen sind wiederholt erstaunlich lang, entwickeln dadurch eine Wirkung. Auch die Männerchöre wissen zu gefallen.

Einige Umstände sind unerklärt beziehungsweise ungereimt. Im Dorf hat der Sizilianer Pietro wegen seines Dialekts angeblich Verständigungsschwierigkeiten. Müsste es Luica in Sizilien dann nicht ebenso ergehen? Wie hat man auf Sizilien von Pietros Vergehen erfahren? Es heißt, die Familie habe nicht genug Geld, die Kinder zu ernähren. Wochen später reichen die finanziellen Mittel für Lucias Reise nach Sizilien?
Dem Kritiker fiel der Einstieg ins Drama leicht. Da das Drama mit feststehenden Motiven arbeitet und ab einem Punkt wiederholt, fällt das Dranbleiben schwer.

Fazit
Die Frauenschicksale vor dem ausklingenden Zweiten Weltkrieg erzählt das Drama in sich stimmig. Das Aussparen passt zur Zeit der Schilderung. Gleichzeitig scheint der Film damit aus der Zeit gefallen, denn er endet, wo es interessant wird. Erschwerend kommt hinzu, dass das grundsätzliche Thema abgearbeitet ist, lange bevor der Film endet. Zudem: Es gibt Filme, die fürs Publikum gedreht werden; andere entstehen vornehmlich aus persönlichen Motiven. "Vermiglio" ordnet der Kritiker in letztgenannte Kategorie ein. Ein besonderes Interesse am Thema sollte also bestehen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 60 %


Alternativtitel: Vermiglio - The Mountain Bride
Land: BelgienFrankreichItalien
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 120
Genre: DramaHistorie

Verleih: Piffl Medien
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 24.07.2025

Regie: Maura Delpero
Drehbuch: Maura Delpero

Schauspieler: Tommaso Ragno (Cesare) • Giuseppe De Domenico (Pietro) • Roberta Rovelli (Adele) • Martina Scrinzi (Lucia) • Orietta Notari (Zia Cesira) • Carlotta Gamba (Virginia) • Santiago Fondevila Sancet (Attilio) • Sara Serraiocco (n.n.) • Rachele Potrich (Ada) • Anna Thaler (Flavia) • Patrick Gardner (Dino) • Enrico Panizza (Pietrin) • Luis Thaler (Tarcisio) • Simone Bendetti (Giacinto)

Produktion: Francesca Andreoli • Leonardo Guerra Seràgnoli • Maura Delpero • Santiago Fondevila Sancet
Szenenbild: Pirra
Kostümbild: Andrea Cavalletto
Maskenbild: Federique Foglia • Tiziana Argiolas
Kamera: Mikhail Krichman
Ton: Dana Farzanehpour
Musik: Matteo Franceschini
Schnitt: Luca Mattei

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Bild: Piffl Medien

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