Young Adam

Kinoplakat Young Adam

Auf dem gleichnamigen Roman von Alexander Trocchi basierend bringt Regisseur David Mackenzie einen interessant besetzten Film Noir ins Kino. In den Hauptrollen überzeugen Tilda Swinton und Ewan McGregor. Antiheld Joe flieht in England kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vor sich selbst. Die Handlung schildert wenige Wochen seines Lebens, lässt dabei nicht nur Raum für eigene Interpretationen, sondern setzt die aktive Mitarbeit des Zuschauers voraus.

Die Stationen einer Flucht beginnen mit einer seltsamen Szene: Zwei Männer fischen die Leiche einer jungen Frau aus dem Fluss. Joe (Ewan McGregor) legt ihr die Hand zwischen die Schulterblätter, während Les (Peter Mullan) einen Kohlensack holt, damit man die Tote wenigstens zudecken kann. Joes zärtliche Geste wirst du später noch einmal beobachten können. In welcher Verbindung er zu der Ertrunkenen stand, bleibt jedoch anfangs offen. Zunächst nimmt das Leben auf dem Kohlenkahn seinen gewohnten Gang.

Die Ermittlungen der Polizei sorgen für wenig Wirbel. Eine Unbekannte, die vielleicht Selbstmord beging. Oder wie Joe philosophiert, ihre Kleider abstreifte, um den Wind zu genießen, während sie auf einem fahrenden Boot stand. Er weiß mehr als er zugibt und testet mit der Erzählung die Reaktion seiner Chefin Ella (Tilda Swinton). Deren Ehemann Les ist impotent - doch die erotische Spannung muss erst noch ein wenig knistern, ehe Ella und Joe in einem ungelenken Liebesakt die schnelle Entladung suchen.

Für Ella erwächst aus der Liebelei eine neue Beziehung, für die sie bereit ist mit Les zu brechen. Joe wiederum sieht sich als schuldlos. Es kam eben, wie es kam. An eine Bindung denkt er nicht ernsthaft, schon bald stürzt er sich in eine neue Affäre. Dass die neue Flamme ausgerechnet Ellas Schwester ist, scheint ihn weder zu stören noch zu hindern.

Tage später schlägt der Fall der Ertrunkenen höhere Wellen. Die unverheiratete Frau war schwanger und hatte vor dem Ertrinken Sex. Ein Klempner gilt als Mordverdächtiger. Für Joe wäre es an der Zeit, Farbe zu bekennen, doch er fürchtet, das Gericht würde ihm keinen Glauben schenken und ihn hängen. So beobachtet er aus der sicheren Position des Zuschauers, wie das Todesurteil über dem Unschuldigen gefällt wird. Für ihn ein weiterer Grund, sich als Getriebener zu fühlen, dessen Spur im Nebel des Hafens endet.

Kritik

"Young Adam" ist ein anspruchsvoller Film. Gesprochen wird nur das Notwendigste. Blicke, kleine Details und Gesten sagen aus, lassen Spielraum für eigene Interpretationen. Die Bildsprache spiegelt das Leben auf dem Lastkahn sehr gut wider: Enge und Kargheit vor trister Kulisse. Die anfänglich elegische Schwere verliert mit der Zeit ein wenig an Intensität, bis zum Ende bleibt der Film ausgesprochen ruhig.
Wohl auch wegen des künstlerischen Anspruchs ist das Werk sperrig. Wer nicht die gesamte Filmdauer auf die Kleinigkeiten achtet, verpasst eventuell ein Detail, denn vieles wird nur beiläufig erwähnt. So sagt Ella zu Les, er habe nur zu viel getrunken. Daraus muss der Zuschauer schlussfolgern, der Mann ist impotent. Denn dadurch ergibt sich die Frage, ob Sex wirklich für Ella wirklich den ausschlaggebenden Grund gibt, ihm den Liebhaber vorzuziehen.

Die zahlreichen Sexszenen können für einen kalkulierten Skandal sorgen. Weniger wegen des Gezeigten, als aufgrund der Mehrdeutigkeit. Es gibt primäre wie sekundäre Geschlechtsorgane zu sehen, beispielsweise auch den schlaffen Penis des Hauptdarstellers. Sex dient als Droge, Bindemittel und Taktgeber. So dienen die besagten Einstellungen als Szenentrenner, die das Geschehen in verschiedene Akte einteilen. Die Intimität verursacht kaum Kribbeln, da die Schauspieler während der intimen Momente entweder an gehetzte Tiere erinnern oder die Hierarchie festlegen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Szene, die den Bruch zwischen Joe und Cathie verkörpert. Er bewirft sie mit Speisen und besiegelt seinen Triumph mit erzwungenem Verkehr. Ihre Laute drücken gleichermaßen Verzweiflung wie Erregung aus. Zudem unterbleibt jede Gegenwehr. Später versucht sie ihn mit Sex zu halten. Aber wie im realen Leben auch ist Sex keine Grundlage für eine Beziehung.

Die zeitliche Festlegung auf das England der Nachkriegszeit spielt eine untergeordnete Rolle. Der Protagonist ist ein zeitloses Beispiel für einen Mann, der vor sich selbst flieht. Als Schriftsteller am eigenen Anspruch gescheitert, konsumiert er Zigaretten und Sex als Droge; wobei er nie eine Befriedigung erreicht, da er nicht ankommen will. Wegen des Unausgesprochenen quälen ihn Albträume und Erinnerungen.

Einen Gutteil der komplizierten Seelenstruktur hat die Figur wahrscheinlich von ihrem Schöpfer Alexander Trocchi geerbt. Ewan McGregor als Joe gelingt es, seine Darstellung auf ein Minimum zu reduzieren und trotzdem viel auszusagen. Ein Grund ihn als Joe zu besetzen, gab seine schottische Abstammung. In der Originalversion sprechen die Schauspieler in einigen Szenen einen derartig starken Akzent, dass ich Hilfe suchend auf die Untertitelung ausweiche.

Für die weibliche Hauptrolle konnte Tilda Swinton gewonnen werden. Als ausgemergelte Kapitänin gibt sie eine Rolle, bei der das Aussehen nur zweitrangig ist. Offen gestanden erinnert sie mit den fisseligen Haaren und der hässlichen Kleidung an eine Vogelscheuche. Ihr Verdienst besteht darin, trotz der Äußerlichkeiten und des rauen Charakters erotisch und geheimnisvoll zu wirken. Insgesamt widmet ihr das Drehbuch weniger Sorgfalt und die Rolle bleibt undurchsichtig. Sie regiert zum Beispiel das Schiff mit eiserner Härte, wozu in Konfliktsituationen wenige Worte ausreichen. Für die Zeit untypisch entscheidet allein sie darüber, mit welchem Mann sie zusammenleben möchte und schreckt selbst vor einer Scheidung nicht zurück.

Fazit
"Young Adam" ist ein außergewöhnlicher Film, der zwar keine fertigen Antworten liefert, dafür die Kraft besitzt über das reine Sehen hinaus zu bewegen.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 80 %


Land: FrankreichGroßbritannien
Jahr: 2003
Laufzeit ca.: 93
Genre: DramaKrimi
Verleih: Alamode Film
FSK-Freigabe ab: 16 Jahren

Kinostart: 09.12.2004
Heimkino: 29.09.2005

Regie: David Mackenzie
Drehbuch: David Mackenzie
Literaturvorlage: Alexander Trocchi

Schauspieler: Ewan McGregor (Joe Taylor) • Tilda Swinton (Ella Gault) • Peter Mullan (Les Gault) • Emily Mortimer (Cathie Dimly) • Jack McElhone (Jim Gault) • Therese Bradley (Gwen) • Ewan Stewart (Daniel Gordon) • Stuart McQuarrie (Bill) • Pauline Turner (Connie) • Alan Cooke (Bob M'bussi) • Rory McCann (Sam) • Ian Hanmore (Freight Supervisor)

Produktion: Jeremy Thomas
Szenenbild: Laurence Dorman
Kostümbild: Jacqueline Durran
Maskenbild: Meg Speirs
Kamera: Giles Nuttgens
Musik: David Byrne
Schnitt: Colin Monie

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Bild: Alamode Film

1 customer review

gut
09.12.04
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