Brokeback Mountain

Kinoplakat Brokeback Mountain

Anspruchsvolles Drama um nicht gelebte Liebe. Ang Lee bleibt seiner Linie treu und schafft erneut ein Beziehungs-Drama. Auch wenn der Film in Deutschland nur einen kleinen Verleih findet, so handelt es sich doch um ein sehenswertes Werk. Wer hinter die Fassade schaut, entdeckt, dass der Stoff weitaus mehr bietet, als den amerikanischen Traum von Freiheit und Abenteuer und schwule Cowboys.

"Brokeback Mountain" beginnt in bleischwerer Ruhe. Zwei junge Männer warten vor dem klapperigen Wohnwagen ihres Chefs auf Arbeit. Einige belanglose, abschätzende Blicke werden getauscht. Die darauf folgende Einweisung in ihren Job ist kurz. Schafe hüten auf dem "Brokeback Mountain". Einer bewacht die Tiere und der andere hat ein Auge auf die Vorräte. So weit, so gut. In den Bergen angekommen, spielen die Männer einander den harten Macho vor: wortkarg, rau. Die ersten Tage ziehen dahin. Doch allmählich reden sie nicht nur länger miteinander, die Themen werden auch brisanter. Man erzählt sich von der bescheidenen Kindheit und dem Verhältnis zu den Eltern.

Nach einem nächtlichen Besäufnis, beschließt Ennis del Mar (Heath Ledger) am Lagerfeuer zu schlafen. Auf keinen Fall will er mit Jack (Jake Gyllenhaal) in einem Zelt übernachten. Als er es doch tut – die Kälte ist einfach unerträglich – nutzt der die Gelegenheit sich an ihn zu kuscheln. Ennis' erstem Entsetzen folgt ungelenker, schneller Sex. Am nächsten Morgen schwören beide, die letzte Nacht sei ein Ausrutscher, der sich niemals wiederholen wird. Doch aus vorsichtigen Annäherungen wird Liebe. Während Jake die Situation akzeptiert, kann Ennis damit nicht umgehen. Weder kann er seine eigenen Gefühle akzeptieren, noch zu Jake stehen. So bekommt er wiederholt Wutausbrüche, die so weit gehen, dass er Jake niederschlägt.

Am Ende der Saison trennen sich ihre Wege zunächst. Ennis flüchtet in eine Scheinehe. Kein glückliches Unterfangen, denn die Beziehung ist durch ständige Streits und seine Fluchten geprägt. Zudem muss seine Frau Michelle (Alma Beers) mit ansehen, wie er eines Tages Jake beim Wiedersehen innig küsst. Sie weiß damit Bescheid und leidet zunächst still. Etwas anders ist die Situation in Jakes Ehe. Auch er hat zwischenzeitlich geheiratet, aber in seiner Ehe ein Arrangement getroffen. Lureen (Anne Hathaway) übernimmt die Führung der Firma, verwirklicht sich in allem Finanziellen, während er den Verkäufer gibt. Die Treffen mit Ennis beschränken sich auf wenige Wochenenden im Jahr.

Mit den Jahren leben sich die Männer immer weiter auseinander. Während Jake daran denkt, sich scheiden zu lassen und auf der Farm seiner Eltern mit einem anderen Mann zusammenzuleben, zerbricht Ennis' Ehe und er flüchtet ins Alleinsein. Doch damit sind die Schranken immer noch nicht niedergerissen. Ennis wird es wahrscheinlich nie gelingen, seine wahren Gefühle zu leben.

Kritik

Ang Lee hat mit Brokeback Mountain" einen Film geschaffen, der aufzeigt, was geschieht, wenn ein Mensch an den eigenen Gefühlen zerbricht, weil er sie nicht auszuleben vermag. Aufgehängt hat er die Thematik an einer Kurzgeschichte von Annie Proulx, die auch die Buchvorlage für "Schiffsmeldungen" schrieb.

Nur auf den ersten Blick ist Lees Film ein schwuler Western oder ein Schwulendrama. Auf den zweiten Blick erscheint er vielmehr zeitlos. Darin bleiben beliebte schwule Klischees ausgespart oder werden ins Gegenteil verkehrt. So scheinen Jakes Eltern zunächst klassisch homophob, entpuppen sich dann aber als tolerante Eltern, die den Fast-Schwiegersohn auf die eigene Farm holen möchten. Die grundsätzliche Thematik beschreibt vordergründig die Beziehung zweier Männer, doch im Kern geht es die Tragik, die entsteht, wenn zwei Menschen, einander lieben, aber einer von ihnen die eigenen Gefühle nicht leben kann.

Ang Lees Sprache setzt dazu auf eine authentische, schnörkellose Erzählung, die in (nahezu quälender) Ruhe, ihre Geschichte Stück für Stück ausbaut und das Drama stetig weiter zuspitzt. Es ist fast so, als ob der Film kontinuierlich unter Wasser zöge. Man sieht die Ausweglosigkeit kommen und kann ihr nicht entfliehen.
Die Kunst liegt darin, dass kleine Gesten und Bilder große Emotionen transportieren. Wenn Ennis nach Jakes Tod darum bittet, Jakes Hemd mitnehmen zu dürfen und es später an seinen eigenen Kleiderschrank hängt, dann passiert rein technisch gesehen nicht viel, doch die vermittelten Emotionen sind durch die Reduktion umso größer. Das Drehbuch streut zwar immer wieder erlösende Gags ein, dennoch ist es konsequent und anstelle eines Happyends, findet die Geschichte ein trauriges Ende.

Nach dem Sehen gehen mir die eindringlichen Bilder mehrere Tage lang nicht mehr aus dem Kopf. Als ich einigen Kollegen sage, dass ich mir den Film ein zweites Mal anschaue, halten mich alle für verrückt; niemand will den beklemmenden Film ein zweites Mal sehen. Heath Ledger hat zwischenzeitlich den Golden Globe bekommen und dementsprechend voll, ist die zweite Pressevorführung. Danach geht es mir besser als nach dem ersten Sehen, obwohl mir am Ende wieder die Tränen in den Augen stehen und mich der Film tief berührt.

Wahrscheinlich werde ich mir "Brokeback Mountain" auch noch ein drittes oder viertes Mal ansehen. Und ich bin überzeugt, auch dann noch etwas Neues entdecken zu können, denn die Handlung steckt voller Details. So beginnt sie verhalten romantisch, dann folgt die schrittweise Annäherung, die erste Vertrautheit, die Männer agieren in den Bergen fast wie ein altes Ehepaar, um zunächst miteinander zu brechen, ohne voneinander loszukommen. Sie zeigt typische Schlüsselszenen auf, etwa diese wortlosen Abschiede. Spart auch die Schicksale der Ehefrauen nicht aus, die auf unterschiedliche Weisen mit der schwierigen Situation umgehen. Selbst der leider weit verbreitete Hickhack zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern wird thematisiert.
Zuschauer, die auf Symbolik achten, werden ebenfalls belohnt. So ist das Schicksal der Beziehung mit der Natur nicht nur eng verknüpft. Der Berg ist der einzige Ort, an dem die Menschen im Film frei sind. Zudem läuten kleine und große Naturkatastrophen Wendungen ein.

Getragen wird die Handlung von den guten Darstellern. Heath Ledger hatte ich nicht zugetraut, den Film zu tragen. Etwas mehr im Hintergrund, aber ebenfalls auffallend gut spielt Jake Gyllenhaal. Ang Lee bekommt bereits den dritten Golden Globe für die beste Regie. Eine höhere Wertung bleibt dem Film verwehrt, weil er dann doch in einigen wenigen Punkten schwächelt.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 80 %


Land: USA
Jahr: 2005
Laufzeit ca.: 134
Genre: DramaLGBT
Stichwort: gay
Verleih: Tobis
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 09.03.2006
Heimkino: 16.10.2006

Regie: Ang Lee
Drehbuch: Larry McMurtry • Diana Ossana
Romanvorlage: Annie Proulx

Schauspieler: Heath Ledger (Ennis Del Mar) • Jake Gyllenhaal (Jack Twist) • Michelle Williams (Alma Beers) • Anne Hathaway (Lureen Newsome) • Randy Quaid (Joe Aguirre) • Kate Mara (Alma Jr.) • Linda Cardellini (Cassie) • Graham Beckel (L.B. Newsome) • Mary Liboiron (Fayette Malone) • Anna Faris (Lashawn Malone) • David Harbour (Randall Malone) • Roberta Maxwell (Jacks Mutter) • Peter Mc Robbie (John Twist) • David Trimble (Basque) • Larry Reese (Minister) • Marty Antonini (Timmy) • Valerie Planche (Kellnerin)

Produktion: Diana Ossana • James Schamus
Szenenbild: Judy Becker
Kostümbild: Marit Allen
Kamera: Rodrigo Prieto
Musik: Gustavo Santaolalla
Schnitt: Geraldine Peroni • Dylan Tichenor

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{joomplucat:74 limit=3|columns=3}Bilder: Tobis

1 customer review

gut
09.03.06
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