Frei nach dem gleichnamigen Roman von Michail A. Bulgakow erzählt das Drama vom Schicksal eines Schriftstellers. Der wird unvermittelt Opfer der staatlichen Zensur und muss feststellen, dass die Menschen seines Umfelds, die ihm beistehen könnten, umfallen und im Tenor der Staatsgewalt sprechen.
Gleiches gilt für Pontius Pilatus, der nicht den Mut aufbringt, Jesus Christus zu begnadigen, wenngleich die ihm zur Last gelegten Verbrechen lächerlich erscheinen im Vergleich zum freigesprochenen Mörder. Pontius Pilatus knickt vor der Kirche ein, so wie die Russen der 1930er Jahre vor der Staatsmacht kuschen. In seiner verzweifelten Situation begegnet der Schriftsteller seiner Muse, die ihn stützt, inspiriert und Teil seines Romans wird. Während er daran arbeitet, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Der Teufel kommt nach Moskau, stiftet Unruhe und nimmt an den Widersachern des Schriftstellers Rache.
Kritik
Das Drama ist als Kunstfilm vor naturalistischen Kulissen umgesetzt. Leider lässt es Tiefgang vermissen. Die Zeichnung der Figuren ist oberflächlich, die angebrachte Kritik zaghaft. Manches kann zwischen den Zeilen gelesen werden. Doch dazu spornt der Film wenig an, denn zu sehr ist das Drama ein lebendiger Roman. Will sagen: Die Menschen sprechen gestelzte Dialoge, die wie ein Hörbuch klingen. Dazu erklingen schwülstige Kommentare aus dem Off.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Figuren weder einnehmen noch mitnehmen. Jewgeni Zyganow als Meister ist sympathisch – mehr nicht. Yuliya Snigir als seine Geliebte und Muse Margarita überrascht mit einem Waschbrettbauch, der bei einer Frau ihrer Zeit doch sehr erstaunt und später in den Nacktszenen mit großen Brüsten (sehr zur Freude eines männlichen Kollegen; die Frauen waren eher irritiert (wie der Kritiker auch)). Zudem ist ihre Rolle stark auf Attraktivität reduziert. Schade, denn eigentlich ist sie eine starke Person. Aber so bleibt fraglich, was der Meister an ihr anderes findet als einen schönen Körper. Das passt ins Konzept, dem insgesamt das Künstliche wichtiger ist als das Naturalistische.
Mit Raffinesse kann das konventionelle Drehbuch nicht punkten. Die Zahl der Wiederholungen und Wiederholtem ist so hoch, dass es negativ auffällt. So ist das Zitat aus Goethes Faust überstrapaziert. Über allem steht als verbindendes Element die Frage, ob ein Mensch zu den Mutigen oder den Mutlosen zählt. Pontius Pilatus, der im Theaterstück des Schriftstellers auftritt und als Rückblende vorkommt, zählt zu den Mutlosen. Die Krankenschwester in der Nervenheilanstalt wird zu den Mutigen gerechnet, wie auch die Muse, die auch die Geliebte des Schriftstellers ist. Eine weitere große Überschrift ist die Rache, die der Teufel nimmt, der Moskau besucht und die Widersacher der Hauptrolle heimsucht.
Einige Figuren sind derart überzeichnet, dass sie an Wirkung verlieren. Da werden Parolen gebrüllt, bis sie lachhaft werden. Vielleicht soll das entlarven. Es wirkt jedoch ungelenk. Außerdem könnte klarer herausgearbeitet werden, wo die Grenzen zwischen Fantasie und Realität verschwimmen. Offen bleibt die Frage, warum August Diehl als Teufel in der Originalfassung des Films Deutsch spricht. In der gesehenen Originalfassung wird er satzweise nicht-lippensynchron synchronisiert. Schade ist die starke Beschränkung der Rolle der Margarita, die andeutet, eine starke Frau zu sein und doch nicht mehr ist als eine attraktive Frau, die Konventionen nicht sprengt. Um Missverständnisse zu vermeiden: Der Kritiker kreidet es Frauen nicht an, dass sie anders sind als Männer und für Frauen die Liebe wohl eine andere Gewichtung hat als für Männer. Es ist nur allgemein schade, eine Filmrolle auf ein Klischee zu beschränken.
Die Dramaturgie setzt keinen klassischen Höhepunkt, sondern geht gleichförmig dahin. Im Zusammenspiel mit der Lauflänge von mehr als 2,5 Stunden keine gute Entscheidung. Wie auch die Idee, viele Ebenen einzuführen. Vom Schriftsteller ausgehend, ufert der Film aus. Es gibt Szenen, die im alten Judäa spielen. Während derer werden auch die jüdischen Rabbiner kritisiert. Später steht das Christentum infrage. Die kommunistische Partei und ihre Vertreter sind die Antagonisten. Das politische System steht in der Kritik, Mitläufer und Verräter ohnehin. Die Liebe zwischen Margarita und dem Mann, den sie den Meister nennt, ist eine weitere Komponente. Es kommt Verrat vor (durch Freunde und Kollegen). Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen sowie die Grenze zwischen Realität und Wunschdenken. Dasselbe gibt es über das Schreiben eines Romans und die reale Welt zu sagen. Nicht nur der Teufel nimmt Rache, sondern auch Margarita. Letztlich ist der Film so überfrachtet, dass der Kritiker nicht behaupten möchte, alle Aspekte genannt zu haben.
Fazit
Es ist zweifelsohne eine Herausforderung, Weltliteratur fürs Kino zu adaptieren. Vielleicht ist "Der Meister und Margarita" zu sehr an der literarischen Vorlage geblieben und zu wenig an die Gegenwart angepasst. Abgesehen davon ist die Umsetzung ungelenk. Jeder muss selbst entscheiden, ob der Film Kunst oder nur künstlich ist. Der Kritiker kann leider nicht für das Drama sprechen. Die Punktevergabe findet unter Vorbehalt statt, weil die Pressevorführung im Original mit Untertiteln stattfand. Die deutsche Synchronisation kann verbessern oder verschlimmern.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %
Land: Kroatien • Russland
Jahr: 2023
Laufzeit ca.: 157
Genre: Drama • Fantasy • Romantik
Verleih: capelight pictures
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren
Kinostart: 01.05.2025
Regie: Michael Lockshin
Drehbuch: Roman Kantor • Michael Lockshin
Literaturvorlage: Michail Afanassjewitsch Bulgakow
Schauspieler: Evgeniy Tsyganov (Meister) • Yulia Snigir (Margarita) • August Diehl (Woland) • Claes Bang (Pontius Pilatus) • Yuri Kolokolnikov (Korovev) • Aleksei Guskov (Maygel) • Aleksey Rozin (Azzazelo) • Aleksandr Yatsenko (Aloiziy) • Evgeniy Knyazev (Berlioz) • Daniil Steklov (Ivan Bezdomnyy) • Polina Aug (Gella) • Leonid Yarmolnik (Doktor Stravinskiy)
Produktion: Dischdischjan • Anatoli Akimenko • Igor Tolstunow
Szenenbild: Denis Lischtschenko
Kostümbild: Galja Solodownikowa • Uliana Polianskaja
Maskenbild: Marina Krasnowidowa
Kamera: Maxim Schukow
Ton: Alexei Samodelko
Musik: Anna Drubitsch
Schnitt: Dmitri Korabelnikow • Dmitriy Slobzow
Anzeige
Bild: capelight pictures