Der vermessene Mensch

Kinoplakat Der vermessene Mensch

Die Vergangenheitsbewältigung ist wichtig – wird in Deutschland jedoch gerne überstrapaziert. Ein anschauliches Beispiel dafür ist dieser gut gemeinte und dabei eintönige Film, der die Moral überstrapaziert.

In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts findet in Berlin eine Völkerschau statt. Auch eine Gruppe von Menschen der Herero sind unter falschen Versprechungen nach Berlin gekommen. Was ihnen versprochen wurde, bleibt offen. Für die Herero ist es entwürdigend, dass Ethnologen ihre Schädel vermessen wollen. Federführend ist Professor von Waldstätten, der Rassenlehren lehrt. In seinem Auftrag sollen die Studenten und der Doktorand Alexander Hoffmann die Menschen vermessen. Hoffmann wird Kezia Kambazembi, die Dolmetscherin der Gruppe, zugeteilt, in die er sich verliebt. Er sucht den Kontakt zu ihr und stellt die These auf, dass die Rassentheorien falsch sind. Bald darauf kehrt Kambazembi in ihre Heimat zurück.

Wieder einige Zeit später kommt es in den deutschen Kolonien Afrikas zu Aufständen. Der Kaiser entsendet Truppen und Hoffmann nutzt die Chance. Er reist offiziell mit dem Auftrag, möglichst viele Kulturgüter für deutsche Museen zu sammeln. Inoffiziell soll er die Thesen seines Professors untermauern und ist insgeheim auf der Suche nach Kezia und will seine These belegen.

Kritik

Das Abenteuer und die Suche nach der verlorenen Liebe bilden den Rahmen für moralisches Kino mit klaren Rollen. Die Deutschen sind die Täter und die Afrikaner die Opfer. Handwerklich ist das nicht gut umgesetzt. Leonard Scheicher als Alexander Hoffmann beobachtet viel und leidet intensiv. Immer wieder begegnet ihm moralische Verderbtheit. In der Heimat soll er eine unattraktive, dicke Frau heiraten, weil die aus gutem Hause stammt. Seine Mutter sieht das praktisch: Du bist arm, heirate eine wohlhabende Frau. Hoffmann will seine Ideale jedoch nicht so leicht opfern. Er steht oft im Zwiespalt, muss seine Prinzipien Stück für Stück aufweichen. Er lernt, wie schmutzig das Kriegshandwerk ist. Wird zum Grabräuber und widerruft am Ende seine eigenen Theorien und opfert die eigenen Ansichten und Prinzipien für eine Professorenstelle.

Der Kritiker kann vielem im Kern zustimmen, hat Ähnliches erlebt und beobachtet. Menschen geben Ideale (mit dem Alter) auf und werden Teil von etwas, was sie zuvor abgelehnt haben. Gerade die früher Unangepassten werden häufig zu Spießern. Drehbuchautor und Regisseur Lars Kraume liegt nach Einschätzung des Kritikers somit nicht grundsätzlich falsch. Er verarbeitet das Thema leider schwer verdaulich. Er interessiert sich weniger für die Menschen, als für das, was sie transportieren. So bleibt sein Hoffmann eine unscheinbare Erscheinung. Das afrikanische Land ist auffällig reizlos. Die Dialoge klingen wie aus dem Lehrbuch, so als hätte niemand zu keiner Zeit jemals so gesprochen. Da wirft der Mann der Wissenschaften dem Mann der Kirche vor, dass die Kirche bisweilen ihre Prinzipien verraten hat. Der Pater gibt das zu und wirft dem Wissenschaftler dasselbe vor. Der muss das eingestehen. Patt. Schade, dass diese Rededuelle aus dem Mund der Schauspieler nicht geschliffen klingen, sondern wie abgelesen. Das holzschnittartige Schauspiel mag beabsichtigt sein, um zu verdeutlichen, in welcher Zeit das Drama spielt. Beurteilen kann der Kritiker das nach einmaligem Sehen nicht.

Es soll nicht abgestritten werden, dass die Kolonien und Rassentheorien ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte ist. Wobei es Rassentheorien nicht nur in Deutschland gab. Das Drama "Long Walk Home" erzählt von Australiens wahnwitzigen Ideen.

Fazit
Die gute Absicht ist erkennbar. Es soll auch nicht abgestritten werden, dass hier Tatsachen angesprochen werden. Die Umsetzung erfolgt leider wie aus dem Lehrbuch und erweckt den Eindruck, als sei das Drama direkt für den Schulunterricht entstanden. Moral steht in dicken Lettern auf dem Drehbuch. Und ist ein Lehrstück auch für ungelenkes Handwerk.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Land: Deutschland
Jahr: 2021
Laufzeit ca.: 116
Genre: Drama
Verleih: Studiocanal
FSK-Freigabe ab: 12 Jahren

Kinostart: 23.03.2023

Regie: Lars Kraume
Drehbuch: Lars Kraume

Schauspieler: Leonard Scheicher (Alexander Hoffmann) • Peter Simonischek (Josef Ritter von Waldstätten) • Girley Charlene Jazama (Kezia Kambazembi) • Patrick Berg (Dr. Böringer) • Michael Del Coco (Leichenbeschauer) • Max Koch (Korporal Kramer) • Leo Meier (Bernd Wendenburg) • Sven Schelker (Wolf von Crensky) • Niklas Wetzel • Ludger Bökelmann (Fähnrich Hartung) • Julia Jendroßek (Elise von Schulenburg) • Alexander Radszun (General Lothar von Throtha) • Michael Schenk (Ludwig von Estorff) • Rike Eckermann (Frau Schröder) • David Bredin (Otto Handke)

Produktion: Thomas Kufus
Szenenbild: Sebastian Soukup
Kostümbild: Esther Walz
Maskenbild: Ayten Morgenstern
Kamera: Jens Harant
Ton: Rael Anderson
Musik: Christoph M. Kaiser • Julian Maas
Schnitt: Peter R. Adam

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Bild: Studiocanal

1 customer review

Befriedigend
23.03.23
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