Der Spatz im Kamin

Kinoplakat Der Spatz im Kamin

Karen, Markus und ihre Kinder wohnen idyllisch im von ihren Eltern geerbten Haus auf dem Land. In Sichtweite gibt es ein zweites Haus, welches mit dem Haupthaus in Verbindung steht. Anlässlich Markus' Geburtstag am Folgetag, reisen Karens Schwester, deren Ehemann und Baby an. Die Vorbereitungen zur Feier erfordern Aufmerksamkeit und es herrscht Trubel. Zwischen der Betriebsamkeit bleibt genug Raum, damit Gewitter Entladung finden.

Kritik

In "The Purge" dürfen die Menschen zehn Stunden lang Morde begehen, ohne mit Bestrafung rechnen zu müssen. Wie die Menschen einander danach ins Gesicht schauen können, bleibt offen. Der "Spatz im Kamin" ist insofern ähnlich gelagert, als die Menschen alles aussprechen dürfen. Die Frage, wie danach miteinander umgehen, stellt das Drama ebenfalls nicht. Eine zeitliche Einschränkung gibt es nicht. Mutter Karen beschimpft ihre Tochter als Krüppel und die antwortet, dass sie die Mutter nicht deshalb lieben wird, weil sie die Mutter ist. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Der weitere Verlauf der Handlung bleibt ungewöhnlich: Die besagte Tochter versucht ihren Onkel zu verführen, der sich unter der Dusche beim Gedanken an die Nichte selbstbefriedigt und dabei von seiner Schwägerin beobachtet wird. Geheimnisse werden offen gelebt. Vater Markus hat ein Verhältnis mit der Hunde- und Babysitterin, von dem Ehefrau Karen weiß. Die Sitterin wiederum soll das Haus ihres Geliebten niedergebrannt haben und dafür in der Psychiatrie gewesen sein. Manche Aussagen entlarvt die Handlung als Hirngespinste, andere könnten wahr sein. Nicht immer erfährt das Publikum die Wahrheit. Und offen gesagt, ist das auch nicht von Interesse, denn ohne die offene Kriegführung wäre es ein durchschnittliches Drama über eine dysfunktionale Familie.

Das Familienfest und die Strukturen des Dramas sind nicht ausgefallen. Vom Aufenthalt in der Psychiatrie abgesehen, hätte es ein Fest im Kreis der Familie sein können, in der ich aufgewachsen bin. Mit dem ausschlaggebenden Unterschied, dass die Menschen im Film das aussprechen, was meine Familie über die Verwandtschaft erst sagte, nachdem die außer Hörweite ist. Gedacht haben wir als Familie übereinander wohl ähnlich wie die Figuren des Films. Die sprechen offen ihre Feindseligkeiten aus. Was allerdings keine Konsequenzen hat. Man beleidigt sich und danach geht das Gespräch "normal" weiter. Es ist also nicht wie bei einem guten Streitgespräch, dass am Ende etwas bewirkt wird. Außerdem sind die Verletzungen auch nicht geschliffen.
Indirekt werden Familienstrukturen weitergegeben. Mutter Karen hat unter ihrer Mutter gelitten und gibt das an die eigenen Kinder weiter. Die begehren gegen die herrische Mutter auf. Sohn Leon etwa gibt die Qual weiter. Ehefrau und Geliebte tauschen kurzfristig die Perspektiven. Karen schaut von Livs Haus auf das eigene und Liv trägt derweil in Karens Haus Karens Bluse. Eine von vielen deutbaren Szenen. Den Gegenpol zu den verhaltensgestörten Personen bildet das Mädchen mit dem Taubenkostüm.

Die Bildsprache ist nicht immer einfach zu interpretieren. Jemand in der Familie züchtet Raupen, die später zu Schmetterlingen werden. Bereits vor der Metamorphose flattern wiederholt Schmetterlinge durchs Haus. Eine Verwandlung im übertragenen Sinne ist bei den Menschen nicht erkennbar.

Als störend empfinde ich, dass die Schauspieler zwar vor naturalistischer Kulisse agieren, aber nur bedingt versuchen natürlich zu spielen. Insbesondere die Frauen treten (unbewusst) wie Schauspielerinnen auf. Handbewegungen, Gesten oder eingenommene Körperhaltungen sind leicht gekünstelt. Zudem stört die Unruhe, weil nahezu ständig eine Person im Hintergrund durchs Bild huscht.

Die Schilderung der das eigene Gehirn fressende Seescheide ist unappetitlich. Die Behauptungen über die ungleiche Behandlung der Geschlechter bei Glühwürmchen beschreiben Quellen im Internet anders.

Fazit
"Der Spatz im Kamin" ist eine Versuchsanordnung, Spartenkino für ein ausgesuchtes Publikum.
Filmkritik: Thomas Maiwald
Wertung: 50 %


Land: Schweiz
Jahr: 2024
Laufzeit ca.: 117
Genre: Drama

Verleih: Salzgeber
FSK-Freigabe ab: -

Kinostart: 10.10.2024

Regie: Ramon Zürcher
Drehbuch: Ramon Zürcher

Schauspieler: Maren Eggert (Karen) • Andreas Döhler (Markus) • Britta Hammelstein (Jule) • Luise Heyer (Liv) • Milian Zerzawy (Jurek) • Paula Schindler (Christina) • Lea Zoe Voss (Johanna) • Ilja Bultmann (Leon) • Stephanie Greco (Edda) • Emma Madita Mösch (Freundin) • Luana Greco (Edda)

Produktion: Silvan Zürcher
Szenenbild: Peter Scherz
Kostümbild: Linda Harper
Maskenbild: Sada Leigh Sherrin • Nicole Zingg
Kamera: Alex Hasskerl
Ton: Balthasar Jucker
Musik: Balz Bachmann
Schnitt: Ramon Zürcher

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Bild: Salzgeber

1 customer review

Befriedigend
15.09.24
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